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Agrarforschung
Einfluß der Pionierbaumarten Birke, Salweide und Aspe auf Schaftform und Kronenentwicklung von Eichen, Buchen und Buntlaubholz

Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg, Freiburg,/ Abteilung 1 Waldwachstum
G. K. Kenk und M. Schölch                                                          
Juli 1994 - Juni 1996

Problemstellung

In der "naturnahen Waldwirtschaft" wird die natürliche Verjüngung der Wälder eine größere Rolle spielen als bisher. Die Anlehnung der künftigen Wälder an die Baumarten der regionalen Waldgesellschaften und deren Entwicklungszyklen wird zu einer stärkeren Beteiligung der in Naturverjüngungen und Pflanzungen einfliegenden Pionierbaumarten Birke, Salweide und Aspe führen. Sie ist auch aus Gründen der Artenvielfalt erwünscht.

In der Forstpraxis bestehen erhebliche Wissenslücken über die Konkurrenzwirkungen der Pionierbäume auf die Wirtschaftsbaumarten. Oft werden sie noch ausgehauen, weil sie als grundsätzlich "schädigend" für Wachstum und Qualität betrachtet werden. Damit tritt zu den Kosten des Eingriffs auch ein Verlust an Artenvielfalt ein. Mögliche positive Auswirkungen z.B. auf Schaftformen, geringere Aststärken, Kronenentwicklung und Leistung entfallen dadurch von vornherein.

Ziel

Um die Wirkungen von Pionierbäumen besser einschätzen zu können, wurden Beispielsbestände aus natürlicher Wiederbewaldung untersucht. Dadurch sollten Aussagen über erwünschte und unerwünschte Nebenwirkungen gewonnen und Folgerungen für die Forstpraxis gezogen werden.

Untersuchungsmethoden

Die Wachstums- und Entwicklungsdynamik wurde über Bestandesprofile und Wachstumsanalysen in Beständen unterschiedlichen Alters untersucht.

Im Vordergrund standen zunächst Erhebungen zur Häufigkeit und zur Verteilung von Pionierbäumen und Wirtschaftsbaumarten in forstwirtschaftlich unbeeinflußten Waldsukzessionen. Wachstumsanalysen und -vergleiche zwischen Pionier- und Wirtschaftsbaumarten sollten Grundlagen zur Beurteilung der Konkurrenz liefern. Dabei wurden vor allem Höhen-, Durchmesser- und Radialzuwächse analysiert und den Schaftformen und der Kronenentwicklung nachgegangen. Außerdem wurden Auswirkungen des Kleinstandortes, einer eventuellen Überschirmung und von Schäden z. B. durch Wild, Mäuse, Frost usw. untersucht.

Ergebnis

Zu Beginn der Bestandesentwicklung wachsen Birken, Aspen und Salweiden schneller als Eichen und Buchen; Salweiden sind sogar den Eschen überlegen. Pionierbäume verursachen dadurch mindestens seitliche Beschattung, oft vollständige Überschirmung der Wirtschaftsbaumarten.

Gegenüber Eichen behalten Birken und Aspen bis zum dritten, z. T. bis zum fünften Lebensjahrzehnt einen Höhenvorsprung von bis zu 5 m. Die größten Höhendifferenzen werden erreicht, wenn die Eichen 5 - 15 m hoch sind. Anschließend werden die Höhendifferenzen wieder geringer. Die Salweide läßt am raschesten im Höhenwachstum nach und wird von der Eiche im zweiten bis dritten Jahrzehnt überwachsen. Standortsunterschiede wirken auf das Höhenwachstum der untersuchten Baumarten gleichsinnig.

Eine durch Höhenunterschiede verursachte seitliche Beschattung von Eichen durch Pionierbaumarten hat keinen wesentlichen Einfluß auf ihr Höhenwachstum. Erst bei Kronenschluß ist dies der Fall. Sobald bei den Wirtschaftsbaumarten der Einfluß des Wildverbisses wegfällt, wachsen sie mit oder ohne Pioniernachbarschaft entsprechend ihren standortstypisch bekannten Verläufen. Die relativ größeren Höhenzuwächse überschirmter Eichen kann ihre Stabilität beeinträchtigen. Überschirmten Buchen und Eichen als potentiellen Hauptzuwachsträgern und Wirtschaftsbaumarten muß zwischen Alter 30 - 50 durch punktuelle Entnahme von Konkurrenten ein überschirmungsfreier Kronenraum ("Lichtschacht") geschaffen werden. Dies ist um so notwendiger, wenn ihre soziale Stellung als Z-Bäume mit "gering mitherrschend" zu bewerten ist.

Weil Pionierbaumarten die Nährelementumsätze und die Nährstoffverfügbarkeit für Wirtschaftsbaumarten erheblich verbessern können, müßte verstärktes Wachstum insbesondere bei Eichen und Buchen zu beobachten sein. Diesen erwarteten Effekt scheinen die Eigenschaften der untersuchten, oft tonigen, versauerten, zur Vernässung neigenden Standorte jedoch wieder ausgeglichen zu haben.

Der erreichte Durchmesser ist in gleichaltrigen Beständen ein Indikator für die Fähigkeit Wuchs- bzw. Lebensraum erschlossen oder genutzt zu haben. Die Jahrringbreiten der Pionierbäume liegen in den ersten Jahren höher als bei den Wirtschaftsbaumarten. Sie fallen aber nach wenigen Jahren deutlich zurück, so daß über etwas längere Beobachtungszeiträume berechnete arithmetische Mittelwerte nur um etwa 0,5 bis 1 mm über denen von Eichen und Eschen liegen. Die im Wuchsraum konkurrierenden Pionierbaumarten beeinflussen das Jahrringwachstum von Eichen und Buchen negativ. Dies belegen auch positive Reaktionen auf Pflegeeingriffe im Alter von rd. 15 - 20 Jahren. Bei der Konkurrenz um Wuchsraum wird das Dickenwachstum stärker reduziert als das Höhenwachstum. Damit können h/d-Werte als Indikatoren für Konkurrenzbedingungen verwendet werden. Ihr wellenförmiger Verlauf ("pendeln") spiegelt Veränderungen in den Konkurrenzverhältnissen wider. Dabei können Individuen ausfallen. Die Erschließung des freigewordenen Wuchsraumes begünstigt Zuwachsanlagerungen in unteren Schaftbereichen und bewirkt dadurch einen Rückgang der h/d-Werte als Antwort auf veränderte Konkurrenzbedingungen. Vorherrschende Pionierbäume zeigen fallende h/d-Werte. Die h/d-Werte von Wirtschaftsbaumarten können sowohl über als auch unter denen der Pionierbaumarten liegen. Stärkere Eingriffe bewirken eine augenfällige Verminderung der h/d-Werte bei Buchen. Die Verläufe der h/d-Entwicklungen von Birken, Aspen, Eichen und Buchen zeigen, daß herrschende Bäume auf Veränderungen im Kronenraum unmittelbar reagieren können. Im Gegensatz dazu deuten die Entwicklungsverläufe der unterständigen Buchen darauf hin, daß sie von den Geschehnissen im Kronenraum gewissermaßen abgekoppelt sind.

Die lichtbedürftigen, in der Jugendphase schnell wachsenden Pionierbäume dominieren zunächst die Durchmesserverteilungen im mittleren und oberen Bereich; Buche, Hainbuche und Eiche (Esche) konzentrieren sich im unteren Bereich. Eichen und Eschen erreichen im Alter von 30 - 50 Jahren die Durchmesserwerte von Birken, Aspen und Salweiden bzw. übertreffen sie dann. Die Pionierbaumarten werden schließlich aufgrund ihrer nachlassenden Vitalität zunehmend verdrängt. Eine Selbstentmischung der Bestände findet statt: Pionierbäume erliegen der Konkurrenz durch die Schlußwaldbaumarten.

Die schützende Funktion der Pionierbaumarten in den ersten Jahren kann waldbaulich nutzbar gemacht werden. Konkurrenzregelung zwischen Pionier- und Schlußwaldbaumarten sollte, wenn überhaupt nur in den jüngsten Stadien (Jungwuchspflege) stattfinden. In mittelalten bis älteren Beständen erübrigt sie sich zunehmend von selbst. Uneingeschränkt "funktionsfähig" sind Pionierbäume als "Füllbestand": Sie erlauben in jedem Fall auch geringere Zahlen an Wirtschaftsbaumarten und damit weniger steuernde Eingriffe.

Schäden durch Mäuse und Frost spielten eine unwesentliche Rolle, umso mehr dagegen der Wildverbiß.

Schaftformen und Kronenentwicklungen der Wirtschaftsbaumarten werden in erster Linie von der Dichte der Bestände bestimmt. Nicht zu klären war die Frage der Schaftqualitäten zum Zeitpunkt des Durchforstungsbeginns, d.h. im Oberhöhenbereich von 17 - 20 m. Es konnten keine Bestände gefunden werden die bis zu diesem Zeitpunkt ohne Pflege geblieben waren.

In den 24 durch Forstwirtschaft weitgehend unbeeinflußten Untersuchungsflächen hatten sich Baumzahlen zwischen 3.000 bis 42.000 je ha angesamt. Es entstanden Mischungen von hoher Diversität und weit überwiegend mit standortsgerechten Baumarten. Ihre natürliche Wachstums- und Entwicklungsdynamik kann vielfältig zur "biologischen Automation" genutzt werden. Punktuelle Pflegeeingriffe zugunsten weniger bedrängter oder in ihrer Qualitätsentwicklung gefährdeter Wirtschaftsbaumarten ermöglichen Kostensenkung im Verjüngungs- und Pflegebetrieb. Die angetroffenen Stamm- und Kronenformen lassen fast ausnahmslos wertvolle Bestände erwarten.

Literatur:
Abschlußbericht als Kurzzusammenfassung

Fördernde Institution:MLR

Förderkennzeichen:    55 - 94 . 4


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