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Untersuchungen zur Befalls-Verlust-Relation und wirtschaftlichen Schadensschwelle bei Phomopsis viticola Sacc. an Reben

Dr. W. K. Kast
LVWO Weinsberg
E-Mail:
walter.kast@lvwo.bwl.de

 

Einleitung

Der Pilz bildet in befallenen Teilen des ein- und mehrjährigen Holzes in der Borke Sporenlager (Pyknidien). Am einjährigen Holz fallen sie als schwarze Punkte auf. Bei anhaltenden Regenfällen werden aus diesen Pyknidien Sporen in Form einer Sporenranke ausgepresst (Gärtel 1972, Brendel 1972). Durch diesen Freisetzungsmechanismus werden die Sporen mit dem Regen zum größten Teil nach unten abgewaschen. Nur im Nahbereich der befallenen Holzteile kommt es durch sporenhaltige Spritzer zu massivem Befall. Daraus resultiert zum einen der starke Befall jeweils der basalen Triebe. Zum anderen ist durch die starke Abnahme der Sporenkonzentration mit dem Abstand zur Infektionsquelle die Gefahr besonders hoch, solange die Triebe sehr kurz sind, d. h. beim Austrieb. Keimende Phomopsissporen können bereits in sehr frühen Stadien, d. h. ab Knospenaufbruch (ES05) Reben infizieren (Lorenz 1983).

Reben reagieren jedoch mit Abwehrreaktionen. Es wird frühzeitig ein Periderm gebildet, das normalerweise erst bei der Verholzung der Triebe entsteht. Der Pilz bleibt dadurch weitgehend auf die obersten Zellschichten begrenzt. Die nekrotischen Zellschichten können aber nicht das zu diesem Zeitpunkt noch sehr intensive Wachstum der übrigen Zellen mitmachen. Durch diese Prozesse kommt es zu deutlich sichtbaren Aufplatzungen und Verschorfungen, die meist an den unteren Internodien zu finden sind. Diese Symptome werden erst mehrere Wochen nach der Infektion deutlich sichtbar. Von den befallenen Teilen kann der Pilz später nach der Holzreife in die gebildete Borke einwachsen. In der Borke der einjährigen Triebe ist der Pilz auch im Winter aktiv. Sein Wachstum wird sichtbar durch die Weißfärbung der Ruten an der Basis (meist ab Februar) nach Bildung neuer Sporenlager (Pyknidien). Die Entwicklung des Pilzes über Winter führt, wie bereits von Claus 1965 beschrieben, teilweise zu einem erhöhten Ausfall der Augen. Da vor allem die Triebbasis befallen ist, erschwert dieser Augenausfall den Rebschnitt, das „Hochbauen" der Stöcke wird gefördert.

 

 

Abbildung: Weissrutigkeit mit Pyknidien

 

Abbildung: Schiffchenförmige Aufplatzungen

Über die wirtschaftlichen Schäden durch Phomopsis ist wenig Konkretes bekannt. Berichtet wird vor allem über die Ausfälle der basalen Augen (Claus 1965, Beetz 1966, Kirch und Jordan 1967, Thate 1986, Gärtel 1972). Dies erschwert den Anschnitt, das Stockinnere verkahlt (Kirch und Jordan 1968, Stellwaag-Kittler 1967, Thate 1968, Beetz 1985). Schäden durch das Absterben ganzer Schenkel oder Stöcke durch Phomopsis viticola können zumindest in Einzelfällen vorkommen (Thate 1968, Lorenz 1983). Exakte Angaben über die Auswirkungen auf den Ertrag fehlen aber. Über die Auswirkungen des Blatt- und Triebbefalls im Frühjahr liegen keine Ergebnisse vor. Teilweise werden die wirtschaftlichen Auswirkungen als gering eingestuft (Kirch und Jordan 1967, Thate 1972).

Ziel der vorliegenden Untersuchungen war es, konkrete Daten über das Ausmaß der wirtschaftlichen Schäden zu gewinnen, um daraus eine Befalls-Verlust-Relation berechnen zu können und letztendlich Angaben zur Schadensschwelle machen zu können.

Material und Methoden

Im Jahr 1986 wurden 3 Versuche begonnen (siehe Tabelle 1). 1986 wurden 4 Spritzungen in Abständen von 8 Tagen jeweils ab BBCH-Stadium 07 (Knospenaufbruch) mit Dithane Ultra (80 % Mancozeb), in Versuch Nr. 2 mit 3 verschiedenen Versuchsmitteln ausgebracht. Die übrigen Spritzungen wurden von den jeweiligen Betrieben ortsüblich und auf der gesamten Versuchsfläche einheitlich durchgeführt. Im Jahr 1987 wurden 2 Spritzungen mit demselben Mittel in BBCH 07 und BBCH 12 durchgeführt. Im Jahr 1988 wurden die Versuche Nr. 1 und Nr. 2 nicht mehr behandelt und dafür ein neuer Versuch (Nr. 4) angelegt. Dabei wurde ebenfalls in BBCH 07 und BBCH 12 zweimal Dithane Ultra ausgebracht.

Tabelle 1: Versuche zur Befalls-Verlust-Relation bei Phomopsis viticola

Versuchs-Nr.

1

2

3

4

Versuchsort

Weinsberg

Heilbronn

Talheim

Heilbronn

Rebsorte

Trollinger

Kerner

Kerner

Trollinger

Versuchsjahre

1986 - 1987

1986 - 1987

1986 - 1988

1988

Gassenbreite

1,8 m

2,0 m

2,0 m

1,6 m

Stockabstand

1,4 m

1,3 m

1,2 m

1,6 m

Wiederholungen

24

8

18

16

Varianten

1= Kontrolle
2=
behandelt 87
3= behandelt 86, 87

1= Kontrolle
2= behandelt 86, 87
3= behandelt 86, 87
4= behandelt 86, 87

1= Kontrolle
2= behandelt 87, 88
3= behandelt 86, 87, 88

1= Kontrolle
2= behandelt 88
3= behandelt 88

Parzellenzahl

72

32

54

48

Ermittelt wurden Ertrag, Mostgewicht und der Phomopsisbefall im folgenden Winter (Ende Februar - Anfang März) (Tabelle 2). Dabei wurde der prozentuale Befall getrennt nach nekrotisierten und weißrutigen Internodien an den angeschnittenen Ruten ermittelt. Aus dem Ertrag und dem Mostgewicht wurden als Index fiktive Abrechnungseinheiten einer Genossenschaft berechnet. Dabei wurde bei 1° Oe Differenz um 5 % auf- bzw. abgestuft.

Tabelle 2: Phomopsisbefall ermittelt jeweils im Februar des Folgejahres

Versuchs-Nr.

Variante

1986

1987

1988

%
Nekrosen

%
Weißrutigkeit

%
Nekrosen

%
Weißrutigkeit

%
Nekrosen

%
Weißrutigkeit

1

Kontrolle

12,7

57,0

32,3

55,7

keine Auswertung

behandelt 87

11,7

53,0

18,5

45,2

behandelt 86, 87

7,1

46,0

16,1

41,5

LSD 5 % (F-Test)

2,2 (**)

4,6 (**)

2,3 (**)

2,6 (**)

2

Kontrolle

5,8

41,8

16,0

42,9

keine Auswertung

behandelt 86, 87

1,6

34,1

5,3

27,1

behandelt 86, 87

1,0

32,1

7,0

28,8

behandelt 86, 87

2,1

34,1

8,3

32,2

LSD 5 % (F-Test)

2,1 (**)

3,8 (**)

3,4 (**)

5,7 (**)

3

Kontrolle

6,7

36,8

17,2

43,5

10,5

24,7

behandelt 87, 88

5,6

35,9

3,1

30,1

5,0

19,0

behandelt 86, 87, 88

1,0

30,9

4,3

28,6

4,8

17,4

LSD 5 % (F-Test)

1,2 (**)

2,6 (**)

2,1 (**)

2,4 (**)

1,9 (*)

2,3 (**)

4

Kontrolle

keine Auswertung

25,6

56,7

17,4

40,1

behandelt 88

24,0

53,6

10,2

28,8

behandelt 88

25,0

55,1

11,6

31,8

LSD 5 % (F-Test)

3,2 (ns)§

3,7 (ns)§

2,6 (**)

3,6 (**)

ns, +, *, **: Irrtumswahrscheinlichkeit > 10 %, <10 %, < 5 %, < 1 %
§: Bonitur vor Versuchsbeginn

Im Jahr 1989 wurde in den Versuchen 1 und 3 der Abstand der Ansatzstelle der Ruten vom Schnittpunkt des Stammes mit dem unteren Biegdraht gemessen, um das „Hochbauen" zu erfassen. In den Versuchen 3 und 4 wurde außerdem der prozentuale Anteil ausgetriebener Augen ermittelt.

Die Daten wurden varianzanalytisch verrechnet und mit Hilfe einfacher und multipler Regressionsrechnungen die Relationen zwischen dem Befall und dem Ertrag ermittelt. Zur Berechnung dieser Relationen wurden nur die Daten aus den Kontrollen und den erstmalig behandelten Parzellen verwendet. Vor der Berechnung der Relationen wurden die Daten zur Schaffung einer gemeinsamen Basis in % des jeweiligen Mittels des Einzelversuchs umgerechnet, um eine gemeinsame Verrechnung der verschiedenen Versuche zu ermöglichen. Für die statistischen Berechnungen wurde das Programm PLABSTAT (Utz 1987). verwendet.

Ergebnisse

Das Befallsniveau war in allen Anlagen bereits 1986 sehr hoch. Bei der Rebsorte Trollinger war 1986 nahezu jede Rute an der Basis nekrotisiert (verschorft). 1987 stieg der Befall durch hohe Niederschläge nochmals extrem an. In diesem Jahr waren in den Kontrollen alle Ruten an der Basis verschorft. Bei der Sorte Trollinger waren meist mehrere Internodien verschorft und auch deutlich verkürzt (Wuchshemmung). Im Sommer waren allerdings keinerlei Wuchsunterschiede mehr zu erkennen. 1988 ging der Befall auch in den Kontrollen wieder deutlich zurück.

Die 4 Behandlungen im Jahr 1986 minderten den prozentualen Anteil nekrotisierter Internodien um 44 - 84 % (Tabelle 3). Zwei Behandlungen im Jahr 1987 ergaben Wirkungsgrade von 47 - 79 %. Bei dem Symptom Weißrutigkeit war die Wirkung schwächer (1986: 10 - 21 %, 1987: 23 - 33 %). Die zweijährige Behandlung hatte nur bei der extrem stark befallenen Rebsorte Trollinger ein signifikant niedrigeres Befallsniveau als die einjährige Behandlung. Im Jahr 1988 wurden die Nekrosen um 41 - 54 % vermindert. Bei der Weißrutigkeit war wie in den Vorjahren die Wirkung geringer (28 - 30 %).

Ein Vergleich der Grenzdifferenzen zeigt deutlich, dass beim Merkmal Ertrag die Versuche 3 + 4 wesentlich aussagekräftiger sind als die Versuche 1 + 2. Trotz der hohen Zahl von Wiederholungen waren beim Ertrag nur in wenigen Fällen signifikante Unterschiede zwischen behandelten und unbehandelten Parzellen vorhanden (Tabelle 3). Im Jahr 1987, dem Jahr mit dem stärksten Befall, waren die Einflüsse der Behandlungen auf den Ertrag am deutlichsten. Durch die erstmalige Behandlung im Jahr 1987 wurde ein Mehrertrag von 8 - 11 kg/Ar erzielt.

Tabelle 3: Erträge, Mostgewichte sowie relative wirtschaftliche Leistung (Index)

Versuchs-Nr.

Variante

1986

1987

1988

Ertrag
kg/a

Mostgew.
°Oe

Index

Ertrag
kg/a

Mostgew.
°Oe

Index

Ertrag
kg/a

Mostgew.
°Oe

Index

1

Kontrolle

155,8

68,2

159,7

236,2

64,2

252,1

255,1

60,3

246,8

behandelt 87

163,7

68,1

163,6

244,8

63,0

243,9

239,5

61,5

247,2

behandelt 86, 87

166,5

67,7

163,3

256,4

63,2

259,6

261,7

60,5

256,9

LSD 5 % (F-Test)

13,9 (ns)

0,9 (ns)

16,0 (ns)

20,9 (ns)

1,4 (ns)

19,1 (ns)

21,9 (ns)

1,3 (ns)

20,3 (ns)

2

Kontrolle

122,5

77,6

120,6

156,6

77,5

155,4

keine Verbindung

behandelt 86, 87

131,2

78,3

133,2

188,0

77,9

190,4

behandelt 86, 87

142,2

77,8

140,2

189,1

77,0

183,6

behandelt 86, 87

132,3

77,9

130,1

179,7

77,9

182,1

LSD 5 % (F-Test)

20,2 (ns)

1,4 (ns)

20,9 (ns)

22,1 (*)

2,2 (ns)

24,7 (*)

3

Kontrolle

128,1

74,4

127,7

170,6

75,7

175,0

123,1

79,8

122,8

behandelt 87

127,6

74,2

125,4

181,4

75,6

184,9

124,8

79,8

124,0

behandelt 86, 87, 88

138,3

74,5

137,4

194,9

74,2

186,4

131,0

79,6

130,2

LSD 5 % (F-Test)

10,3 (+)

1,0 (ns)

10,3 (+)

6,9 (**)

1,6 (+)

16,8 (ns)

8,9 (ns)

1,0 (ns)

8,8 (ns)

4

Kontrolle

keine Verbindung

keine Verbindung

136,5

68,0

142,8

behandelt 88

139,7

66,4

135,2

behandelt 88

137,9

66,8

136,0

LSD 5 % (F-Test)

6,4 (ns)

1,5 (+)

6,9 (ns)

ns, +, *, **: Irrtumswahrscheinlichkeit > 10 %, <10 %, < 5 %, < 1 %

In den Fällen, in denen die Parzellen sowohl 1986 als auch 1987 behandelt wurden, konnte 1987 nochmals zusätzlich ein Mehrertrag gegenüber der erstmals behandelten Variante von etwa 10 - 19 kg/Ar, insgesamt 20 - 29 kg/Ar erzielt werden. Auf das Mostgewicht (°Oe) haben die Behandlungen zumindest unmittelbar keine Auswirkung. In den Fällen, in denen in zwei aufeinanderfolgenden Jahren behandelt wurde, ergab sich im zweiten Jahr zum Teil tendenziell ein geringeres Mostgewicht (Versuch 3, 1987).

Der wirtschaftliche Vorteil der zweijährigen Behandlungen unter Einbeziehung von Menge und Qualität (Abrechnungseinheiten/Index) war durch gegenläufige Tendenzen beim Mostgewicht in der Regel geringer als die Unterschiede im Ertrag. Dies trifft insbesondere für den exaktesten Versuch Nr. 3 zu, in dem die zweijährige Behandlung keine wirtschaftlichen Vorteile gegenüber der einjährigen Behandlung brachte.

Über alle Daten gerechnet, ergibt sich eine signifikante bzw. hoch signifikante Korrelation zwischen Befall und Ertrag (Tabelle 4). Die daraus errechneten Bestimmtheitsmaße liegen bei 1,7  -3,5 %. Zum Mostgewicht bestehen keine Korrelationen, so dass die Korrelationen für die relative wirtschaftliche Leistung (Index aus Ertrag und Mostgewicht) weitgehend denen beim Ertrag entsprechen.

Tabelle 4: Korrelationen, gerechnet über alle Versuchparzellen (unbehandelt und erstmalig behandelt (n = 292)

Parameter

Nekrosen %

Weißrutigkeit %

Ertrag

- 0,187**

- 0,131 *

Mostgewicht

+ 0,013 (ns)

+ 0,013 (ns)

Index relative. wirtschaftliche Leistung)

- 0,176 **

- 0,131 *

Weißrutigkeit %

+ 0,611 **

 

*, ** signifikante bzw. hochsignifikante Korrelation (F-Test)

Die Regressionsrechnungen ergaben aus allen zur Verfügung stehenden Daten einen Verlust von 0,42 %, wenn 1 % der Internodien nekrotisiert sind (Tabelle 5). Für die Weißrutigkeit ergab sich ein Verlust von 0,24 % für 1 % Befall. Die Schätzwerte für die Weißrutigkeit sind relativ konstant und unterscheiden sich zwischen den einzelnen Versuchen nicht signifikant. Die Schätzwerte für die Nekrosen sind bei den beiden Sorten ebenfalls nicht signifikant verschieden. Zwischen den verschiedenen Jahren besteht aber eine signifikante Differenz bei den Schätzwerten. Biometrische Tests im Rahmen multipler Regressionsrechnungen mit linear-quadratischen Funktionen ergaben keinen Hinweis auf Nichtlinearität der Beziehungen.

Tabelle 5: Schätzwerte der linearen Regressionsrechnungen (% Verlust je % Befall) aus Kontrollparzellen und 1-jährig behandelten Parzellen

Sorte

Jahr(e)

Versuchs-
Nr.

Zahl der Parzellen

Verlust (%) je 1 % nekrotische Internodien (§)

Verlust % je 1 % weißrutige Internodien (§)

Trollinger
Kerner
alle Sorten

1986
1986
1986

1
2 + 3
1, 2, 3

74
86
100

0,74 1,73
0,89

+
+
+

0,48
0,52
0,26

0,34
0,59
0,32

+
+
+

0,28
0,24
0,12

Trollinger
Kerner
alle Sorten

1987
1987
1987

1
2
1, 2

48
36
84

0,93
0,22
0,44

+
+
+

0,28
0,35
0,17

0,77
0,99
0,31

+
+
+

0,36
0,31
0,19

Trollinger

1988

4

48

0,87

+

0,92

0,12

+

0,65

Trollinger
Kerner

86, 87, 88
86, 87

1, 4

170
122

0,42
0,61

+
+

0,20
0,26

0,15
0,42

+
+

0,16
0,19

alle Versuche

1, 2, 3, 4

292

0,42

+

0,13

0,24

+

0,11

§ + Standardfehler des Schätzwertes

Die Auswertungen zum „Hochbauen" durch Messungen des Abstands der Ansatzstelle der Rute vom unteren Biegdraht (Tabelle 6) ergaben keinerlei Hinweise, dass das Hochbauen durch die Behandlungen wesentlich reduziert wurde. Die Erhebungen zum Prozentsatz ausgetriebener Augen im Jahr 1989 ergaben trotz erfolgreicher Bekämpfung keine wesentliche Verbesserung beim Austrieb (Tabelle 7). Stockausfälle traten extrem selten auf. Unterschiede zwischen behandelten und unbehandelten Parzellen waren auch in Tendenzen nicht erkennbar.

Tabelle 6: Abstand der Ansatzstelle der Rute vom unteren Biegdraht nach 2 relevanten Jahren Phomopsisbehandlung (Auswertungen im April 1988)

Versuchs-
Nr.

Rebsorte

Kontrolle

behandelt 87

behandelt
86 + 87

LSD 5 % (F-Test)

1

Trollinger

31,0

31,8

30,0

2,4 (ns)

2

Kerner

34,5

35,6

34,7

2,0 (ns)

 

Tabelle 7: % ausgetriebene Augen im Jahr 1989

Versuchs-Nr.

Rebsorte

Kontrolle

behandelt

t-Test

2

Kerner

94,4

95,3

*

4

Trollinger

93,5

93,0

ns

Diskussion

Die Ergebnisse belegen, dass der Phomopsispilz in zwei Situationen Schäden verursacht. Zum einen schädigt er die Reben unmittelbar durch Infektionen der Oberfläche der austreibenden Pflanzenteile. Durch diesen Befall wird die Entwicklung der Reben gestört, was zu einer Verringerung des Ertrags führt.

Der Befall wirkt sich zum anderen auch im Folgejahr aus. Die Zahl der ausgetriebenen Augen war in den vorliegenden Versuchen im Jahr 1989 nicht beeinflusst, obwohl ein deutlicher Bekämpfungserfolg erzielt wurde. Dies steht zunächst im Widerspruch zu den Ergebnissen von Claus (1965), Thate (1968), Kirch und Jordan (1969), die einen erheblichen Ausfall an den basalen Augen fanden. Vermutlich tritt dieses Phänomen nur in einzelnen Jahren auf. Denkbar wäre auch, dass die untersuchten Sorten (Kerner, Trollinger) weniger stark reagieren als der von o. a. Autoren vorzugsweise untersuchte Müller-Thurgau. Das Ergebnis des Versuchs Nr. 3 im Jahr 1987 deutet darauf hin, dass hier in den behandelten Parzellen ein besserer Austrieb erfolgte, da der Ertrag der 2-jährig behandelten Parzelle höher war als der der erstmalig behandelten. Eine Verringerung der Zahl der Triebe oder der Gescheine je Trieb entspricht in ihrer Auswirkung einem verkürzten Rebschnitt. In diesem Fall war dadurch das wirtschaftliche Ergebnis nicht besser als das der Vergleichsparzellen.

Die Auswirkungen der Verminderung der Zahl der Triebe oder Gescheine dürften den bekannten Gesetzmäßigkeiten der Menge-Güte-Relation folgen und werden deshalb je nach Sorte, Ertragshöhe usw. unterschiedlich ausfallen (siehe hierzu z. B. Bäder 1979). Schäden durch den geringeren Austrieb könnten auch durch längeren Anschnitt ausgeglichen werden. Da sich durch Augenausfälle die gesamte Ertragsstruktur ändert, sind die wirtschaftlichen Auswirkungen von Fall zu Fall verschieden, es entsteht aber nicht generell ein wirtschaftlicher Nachteil.

Das von Kirch und Jordan (1968), Stellwaag-Kittler (1967) und Thate (1968) beschriebene „Verkahlen" oder „Hochbauen" der Stöcke war in den vorliegenden Versuchen nicht nachweisbar. Eventuell möglich wäre, dass dieses Phänomen nur an einzelnen extrem befallenen Stöcken auftritt, sich aber auf den Mittelwert einer Parzelle nicht auswirkt. Auch die von Thate (1968) und Lorenz (1979) beschriebenen erhöhten Stockausfälle können nach den bisher geprüften drei Versuchsverfahren nicht bestätigt werden. Es stellt sich die Frage, ob diese beiden Phänomene (Hochbauen, Stockausfälle) wirklich wirtschaftlich relevante Schäden verursachen. Befall an Traubenstielen (siehe Lorenz 1979) ist ein weiteres Symptom, das in der vorliegenden Arbeit nicht getrennt erfasst wurde, dessen Ausmaß aber sehr wahrscheinlich mit den übrigen Merkmalen korreliert sein dürfte und für das auch keine separate Bekämpfungsmöglichkeit existiert, so dass es für die Schadschwellenüberlegungen ohne Bedeutung ist. Die wesentlichen wirtschaftlichen Schäden durch Phomopsis entstehen offensichtlich durch den Befall unmittelbar beim Austrieb, der meist mit der Verschorfung (Nekrosen) an der Triebbasis verbunden ist.

Die engste Beziehung (Korrelation) zum Ertrag ergab sich bei den vorliegenden Untersuchungen zum Merkmal „Nekrosen". Die Auswirkung einer bestimmten Befallsintensität auf den Ertrag variierten jedoch bei diesem Merkmal relativ stark von Jahr zu Jahr. Wesentlich konstanter sind die Beziehungen zwischen dem Ertrag und den Symptomen der Weißrutigkeit, die ihrerseits eng mit den Nekrosen als Merkmal korreliert sind. Für Schadschwellenberechnungen dürfte deshalb vor allem das Symptom Weißrutigkeit geeignet sein.

Wirtschaftliche Schadensschwelle

Zur Berechnung der Schadensschwelle muss der verhinderbare Schaden unter Berücksichtigung des nachhaltig erzielbaren Wirkungsgrades den Kosten der Behandlung gegenübergestellt werden. Bei einer zweimaligen Behandlung entstehen Kosten für Pflanzenschutzmittel, Maschinenkosten und Lohnkosten, die sich auf ca. 150,-- €/ha summieren. Geht man von einem Wert des Ertrages von € 15.000,-- aus, so entspricht dies 1 % des Ertrages. Geht man von dem in den vorliegenden Versuchen erzielten Wirkungsgrad von 30 % (bei teilweise 4 Spritzungen) bei dem Symptom Weißrutigkeit aus, so liegt die Schadensschwelle bei 13,9 % Befall an den angeschnittenen Ruten. Entsprechende Berechnung für den Prozentsatz nekrotischer Internodien ergeben bei einer angenommenen Wirkung von 60 % einen Wert von 4,0 % Befall als Schadensschwelle. 30 bzw. 60 % Wirkung dürften Werte sein, die unter den Verhältnissen der Praxis langfristig erreichbar sind.

Bei höheren Ertragswerten verschiebt sich die Schwelle entsprechend der Relation zu den eingesetzten Werten nach unten, bei niedrigeren Erlösen liegt die Schwelle entsprechend höher. In der Mehrzahl der Anlagen in der Bundesrepublik mit der Rebsorte Trollinger dürfte die Schwelle deutlich überschritten sein. In fast allen Anlagen der Rebsorten Müller-Thurgau und Kerner gilt das dann auch, wenn der Erlös in der oben genannten Höhe liegt. Dort, wo Erlöse von 10.000,-- € und weniger bei diesen Sorten erzielt werden und die Schwellenwerte damit bei über 20 % und 6 % liegen, ist die Wirtschaftlichkeit nur in der Mehrzahl der Fälle - nicht in allen - gegeben, so dass eine Kontrolle des vorhandenen Befalls lohnend ist. Bei weniger anfälligen Sorten wie Riesling und vor allem der Burgundergruppe ist eine Bekämpfung in der Regel überflüssig.

Zusammenfassung

In den Jahren 1986 bis 1988 wurden in verschiedenen Versuchen behandelte und gegen Phomopsis viticola unbehandelte Parzellen verglichen. Ausgewertet wurden Ertrag, Mostgewicht sowie im Winter des Folgejahres die Symptome Nekrosen und Weißrutigkeit in % an den angeschnittenen Ruten. Der Phomopsisbefall reduzierte den Ertrag im Behandlungsjahr und im Folgejahr, wobei die letzteren Schäden sich durch die Menge-Güte-Relation über bessere Qualität teilweise ausglichen. Aus 292 Einzelwerten wurde eine Befalls-Verlust-Relation von 0,24 % Verlust für 1 % weißverfärbte Internodien und 0,42 % für 1 % nekrotisierte Internodien ermittelt. Unter der Annahme eines Wertes von 15.000,-- €/ha für den Ertrag und einer Befallsreduktion von 30 % bei Weißrutigkeit und 60 % bei Nekrosen wurden Schadensschwellen von 13,9 % Weißrutigkeit und 4,0 % nekrotisierte Internodien errechnet.

Literatur

Bäder, G.: Einfluss des Anschnitts auf Menge und Güte des Ertrages bei den wichtigsten Rebsorten auf 128 Standorten der deutschen Weinbaugebiete. - Dissertation Universität Hohenheim, 1979.

Beetz, K. J.: Untersuchungen über den Einfluss von Phomopsis viticola und Botrytis cinerea auf den Rebenaustrieb. - Weinberg und Keller 13 349-358, 1966.

Beetz, K. J.: Zur Bekämpfung der Schwarzfleckenkrankheit (dead-arm disease). - Weinberg und Keller 14, 53-62, 1967.

Beetz, K. J.: Bildbericht über die Schwarzfleckenkrankheit (dead-arm disease). - Weinberg und Keller 14, 241-248, 1967.

Beetz, K. J.: 25 Jahre Schwarzfleckenkrankheit (Phomopsis viticola Sacc.) im Deutschen Weinbau. - Weinwissenschaft 40, 413-424, 1985.

Brendel, G.: Untersuchungen zur Keimung und Lebensdauer der Sporen von Phomopsis viticola Sacc., dem Erreger der Schwarzfleckenkrankheit der Rebe. - Die Weinwissenschaft 27, 222-231, 1972.

Claus, P.: „Dead-arm disease" oder Schwarzfleckenkrankheit, eine bisher wenig beachtete Pilzkrankheit im deutschen Weinbau. - Der Deutsche Weinbau 20, 1291-1294, 1965.

Gärtel, W.: Phomopsis viticola Sacc., der Erreger der Schwarzfleckenkrankheit der Rebe (dead-arm disease, Excoriose) - seine Epidemiologie und Bekämpfung. - Weinberg und Keller 19, 13-79, 1972.

Kirch, K.; Jordan, K.: Untersuchungen zur Bekämpfung der Schwarzfleckenkrankheit und ihr Einfluss auf den Rebenaustrieb. - Weinberg und Keller 14, 193-208, 1967.

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Kranz, J.; Hau, B.: Wie gewinnt man wirtschaftliche Schadensschwellen? DLG-Mitteilungen 12, 667-669, 1981.

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