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Zum hundertsten Geburtstag von August Herold

Dr. Gerhard Götz und Dr. Bernd H.E. Hill

Am 07. 08. 1902 wurde dem Weingärtner und Landwirt Josef Herold und seiner Ehefrau Josephine, geb. Benz, in Neckarsulm als 2. Kind wiederum ein Sohn geboren und auf den Namen August Karl getauft. Zusammen mit seinen drei Brüdern Josef, Eugen und Alois verlebte der aufgeweckte Bub zunächst unbeschwerte Jugendjahre, besuchte in der aufstrebenden Weinbau- und Industriestadt 4 Jahre die Volksschule, wechselte dann in die 5-klassige Lateinschule bis zum erfolgreichen Abschluss der Mittleren Reife (1917) und legte nach weiteren 4 Jahren im Gymnasium in Ehingen/Donau im Frühjahr 1921 die Reifeprüfung ab. Die Kriegs- und Nachkriegsjahre des 1. Weltkrieges waren nicht gerade dazu angetan, sehr hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken. Dennoch verfolgte der frischgebackene Abiturient zielstrebig seinen Lebenstraum, Landwirtschaft zu studieren, um anschliessend für diesen Beruf eine geeignete Stelle zu finden. Zu diesem Zweck machte er sich schon in der Kinder- und Jugendzeit neben der Schule im elterlichen Familienbetrieb nützlich. Unmittelbar nach dem Abgang vom Gymnasium praktizierte er in seiner Heimatstadt bei dem angesehenen Landwirt Josef Benz bis zum Jahresende, wechselte dann auf das Weingut Daubenbornerhof, Enkenbach/Pfalz, um in weiteren 9 Monaten vielseitige praktische Erfahrungen zu sammeln. Ab dem Wintersemester 1922 finden wir ihn für 6 Semester als Student der Landwirtschaft in Hohenheim. An der dortigen Landwirtschaftlichen Hochschule legte der junge Mann mit noch nicht ganz 24 Jahren am Ende des Sommersemesters 1925 erfolgreich die Diplomprüfung ab. Zum damaligen Zeitpunkt gab es kaum freie Stellen für landwirtschaftliche Jungakademiker. So suchte er weitere Betätigung in der Praxis und bewältigte in leitender Position auf einem angesehenen Mittelhaardter Weingut Ernte, Einlagerung und Ausbau der Weine des Jahres 1925. Im April 1926 wechselte er nach Sachsen. Volontär, Verwalter und Kellermeister bei der Weinbaudomäne und der Staatl. Rebenveredlungsanstalt unter Direktor Dr. E. Wanner in Naumburg sind bis zum März 1928 die weiteren Stationen auf seinem Lebensweg.

In seinem Heimatland war um diese Zeit die Stelle des Leiters der 1906 gegründeten Württembergischen Anstalt für Rebenzüchtung und Rebenpfropfung durch den Tod des Verwalters L. Mittmann vakant. Hierfür bewarb er sich als Nachfolger. Auf Empfehlung von Landesökonomierat H. Schoffer, dem Direktor der Württembergischen Lehr- und Versuchsanstalt Weinsberg, hospitierte Herold sodann 4 Monate bei der Biologischen Reichsanstalt für Rebenzüchtung in deren Rebenstation Naumburg/Saale unter Direktor Dr. K. Börner. So, gut und vielseitig auf seinen künftigen Tätigkeitsbereich vorbereitet, wurde er zum 1. 08. 1928 zunächst als Angestellter in den Staatsdienst übernommen und zum Leiter der Württembergischen Anstalt für Rebenzüchtung und Rebenpfropfung mit Dienstsitz in Weinsberg und Versuchs- und Wirtschafts-betrieben in Offenau/Gundelsheim und Lauffen/N bestellt. In Gundelsheim standen die in jahrelanger Auslese durch seinen Vorgänger Mittmann gewonnenen Klonstöcke der wichtigsten württembergischen Rebsorten. Dort wurden die Edelreiser für die beiden Pfropfanstalten in Lauffen/N und Offenau, für die er verantwortlich war, gewonnen und weiterverarbeitet. Den praktischen Betrieben standen tüchtige "Weingartmeister", beide traditionell Absolventen der Weinsberger Weinbauschule, vor. Am 1. 04. 1930 wurde Herold mit der Bestallung als Beamter zum Oekonomierat ernannt. Am 9. Nov. des gleichen Jahres heiratete er seine Frau Gertrud, geb. Keim, und wohnte seitdem bis zur Pensionierung in einer Dienstwohnung in der Hildt’schen Villa, in der auch die Diensträume der Rebenzüchtung untergebracht waren. Zwei Kinder wurden dem Ehepaar geschenkt.

Seine Aufgabe als Züchter war es, die traditionellen Sorten des Gebiets erhaltungszüchterisch zu bearbeiten, die Eignung der wichtigsten Unterlagen auf die Bodenadaption und die Affinität zu vielen Rebsorten zu prüfen und über die Kreuzungszüchtung neue, sicher tragende und möglichst frühreifende Rotweinsorten sowie für Württemberg geeignete Unterlagsrebsorten zu schaffen. Eng verbunden war seit seinem Dienstantritt die vom Land geforderte und gewünschte Kooperation mit der Weinbauschule am gleichen Ort. Die ehedem selbständige Rebenzüchtungsanstalt wurde deren Direktor F. Gräter unterstellt.

Herold suchte und fand von Anfang an die Zusammenarbeit mit den Praktikern im Land. Segensreich wirkte sich insbesondere die Freundschaft mit dem bekannten Heilbronner Klonenzüchter H. Schneider aus. Dieser hat sich durch die züchterische Bearbeitung der Rotweinsorten Clevner, Schwarzriesling und Trollinger hohes Ansehen und bleibende Verdienste erworben und so manche Anregung zur Erhaltungs- und Kreuzungszüchtung an den staatlichen Fachmann weitergegeben. In den Zeiten des Reichsnährstandes war in den letzten Vorkriegsjahren eine enge Kooperation in der Kreuzungszüchtung mit der Reichsrebenzüchtung – zentralistische Steuerung! - zu erfüllen. Dies war ganz und gar nicht nach dem Geschmack des württembergischen Bediensteten.

Es versteht sich bei einer mehr als 30 Jahre dauernden Prüfung einer neuen Sorte vor deren breiter Einführung in den Landesweinbau, dass die von Herold geschaffenen Neuzuchten erst nach dem 2. Weltkrieg dem interessierten Praktiker zur Verfügung standen.

Herold wurde am 10. 01. 1941 Soldat und ist erst 1948 nach mehr als 3-jähriger russischer Kriegsgefangenschaft heimgekehrt. Mit Tatkraft und viel Geschick hat er sich nach der Wiederaufnahme seines Dienstes seinen Aufgaben gewidmet und beachtliche Erfolge erzielt.

Die durch die Reblausverseuchung erforderlich gewordene Umstellung der Weinberge auf reblauswiderstandsfähige Pfropfreben wäre ohne seine Versuchsarbeit im Rebschulbereich und die Bereitstellung leistungsfähigen Pflanzmaterials durch die staatliche Rebenveredlung schon ab den 30er Jahren nicht möglich gewesen. Heute kann kaum jemand ermessen, wie problembeladen auch dieser Bereich einmal gewesen ist. Herold hat die Umstellung auf Pfropfreben maßgebend durch seine Adaptationsversuche im Land mit Unterlagsreben beeinflusst und ganz gewiss auch viel zur Ertragssicherheit durch die Klonenauslese bei den wirtschaftlich bedeutenden Rebsorten des Gebiets beigetragen. Die Gründung vieler genossenschaftlicher und privater Rebveredlungsbetriebe geht auf seine Initiative zurück. Unermüdlich tätig, war er den Rebenveredlern ein freundschaftlich verbundener Berater.

Im Juni 1964 wurde er zum Stellvertreter des Direktors der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt Weinsberg bestellt.

Wegen seines angegriffenen Gesundheitszustandes schied er aber auf eigenen Wunsch vorzeitig am 31. 12. 1964 aus dem Landesdienst aus und ist wieder in seine Heimatstadt Neckarsulm ins eigene Haus in der Binswangerstraße umgezogen.

OLR August Herold hat sich in seiner mehr als 36-jährigen Tätigkeit an herausragender Stelle außerordentliche Verdienste um den Landesweinbau erworben. Im Frühjahr 1965 wurde er dafür mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet.

Auch im Ruhestand war er unentwegt tätig: In seinen eigenen Weinbergen auf Gemarkung Neckarsulm, sodann ehrenamtlich als langjähriger Vorsitzender des angesehenen, altehrwürdigen bereits 1834 gegründeten Neckarsulmer Weinbauvereins und als Vorsitzender der Teilnehmergemeinschaft für die Neckarsulmer Rebflurbereinigungen Scheuerberg ab 1966.

Beide Ämter versah er mit Umsicht und Erfolg bis zu seinem Tod am 8. Januar 1973. Dieser ereilte ihn nach kurzer, schwerer Krankheit. Auf seinem letzten Gang gab ihm die große Schar seiner Freunde und Berufskollegen das letzte Geleit. Er fand seine Ruhe im Familiengrab der Herolds auf dem heimatlichen Friedhof. Seine Berufskollegen in Neckarsulm haben ihm in Dankbarkeit für sein ehrenamtliches Wirken ein bleibendes Denkmal gesetzt: Der im Rahmen des Wiederaufbaus der Weinberge am Scheuerberg geschaffene Weinlehrpfad auf der Südseite dieser Spitzenlage trägt den Namen August-Herold-Weg . Mitten auf der 2,5 km langen, vielbegangenen Wegstrecke ist in einen bei der Planie des Geländes gefundenen riesigen Sandsteinblock eine bronzene Gedenktafel für den Züchterpionier eingelassen.

 

Wie oben schon erwähnt, konnte Herold am Ende seiner Dienstzeit auf eine eminent erfolgreiche Züchtertätigkeit zurückblicken. Hervorragend verstand er es, die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse der Pflanzenzüchtung in die aufwendige, langwierige Rebenzüchtungspraxis umzusetzen. Begünstigt wurden seine Bemühungen durch die generelle Umstellungs- und Aufbruchphase in der Weinbaubranche zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Im Bereich der Klonenzüchtung kann mit Fug und Recht behauptet werden, dass alle heutigen LVWO-Klone der traditionellen württembergischen Rebsorten auf den züchterischen Vorleistungen vergangener Jahrzehnte basieren und lediglich in Kon-tinuität der anfänglichen Auslesekriterien weiterentwickelt wurden. Die systematische Erhaltungszüchtung startete i.a. in den 20er/30er Jahren und resultierte in der Eintragung von 24 Klonen durch das Bundessortenamt um die Mitte der 50er Jahre.

Unter Herold's Leitung wurden von 1929-1964 insgesamt 1.245 Kreuzungskombinationen durchgeführt. Daraus erwuchsen ca. 68.000 Sämlinge, die in der Feldprüfung - Quartiere in Weinsberg (bis 1960) und Lauffen/N - standen. Ermittelt man den relativen Züchtungserfolg, so erhielten je 5 Rot- und Weißweinsorten, deren "Geburtsstunden" in den Zeitraum seiner verantwortlichen Tätigkeit fielen, vom nationalen Bundessortenamt den Sortenschutz (Siehe Tabelle!). Als herausragend sind Kerner und Dornfelder zu nennen, die erstens in allen deutschen Anbaugebieten klassifiziert sind und zweitens beide zusammen im Jahr 1999 einen Rebflächenanteil von 10,2 % (!) bzw. 8,0 % im bestimmten Anbaugebiet Württemberg umfassten.

Eine besondere Auszeichnung wurde August Herold zuteil, indem man noch während seiner Dienstzeit den früheren Zuchtstamm "We S 130" mit Erteilung des Sortenschutzes 1960 nach ihm benannte: Heroldrebe . Damit wurde eine Persönlichkeit geehrt, die mit enormer züchterischer Erfahrung, dem steten Blick auf die Be-lange der Weingärtnerschaft sowie nicht zuletzt einer Portion "Züchterglück" Außer-ordentliches für den württembergischen und den deutschen Weinbau geleistet hat.

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Dieser Artikel wurde bereits im Deutschen Weinbau-Jahrbuch 2002 (53) S. 221-226 veröffentlicht.

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