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Kräuselmilben

 

Von Dr. W. K. Kast und H.-C. Schiefer
LVWO Weinsberg

Die Kräuselmilben sind winzig kleine, 0,2 mm lange und 0,05 mm breite Spinnentiere (Araneae) und gehören zur Ordnung der Milben (Acari). Innerhalb der Milben sind sie in die Unterordnung Gallmilben (Tetrapodili) eingereiht. In dieser existieren zwei weinbauliche interessante Familien Eriophydae (eigentlich Gallmilben), zu der die Pockenmilbe (Eriophyes vitis) zählt und Phylocoptidae (Rostmilben), zu der die Kräuselmilbe gehört. Ein sehr naher Verwandter der Kräuselmilbe der Rebe in derselben Gattung ist der Erreger der Rostmilbe im Obstbau.

Schadsymptome

Kräuselmilben verursachen vor allem im Austrieb erhebliche Schäden. Die stammnahen Triebe kümmern. Am Ende der Bogrebe treiben die Triebe wesentlich schneller und kräftiger aus. Die verzögert austreibenden Triebe haben an der Basis völlig verkrüppelte Blätter, weiter oben entwickeln sich die Blätter zunehmend normal (spießförmiges Aussehen). Stark befallene Blätter und Gescheine vertrocknen.

Abbildung: Verkrüppelter Austrieb

Durch die Saugtätigkeit der Kräuselmilben wird das Wachstum der Reben beeinflusst. Die jungen Blätter kräuseln sich. Durch Störungen beim Wachstum der Triebspitze treiben verstärkt und in sehr frühen Entwicklungsstadien Geiztriebe aus. Die Triebe entwickeln sich im Extremfall besenartig, so dass das Zielholz im nächsten Jahr fehlt. Im Juni und Juli, während des stärksten Wachstums, verschwinden häufig die Symptome.
Ende Juli entwickeln sich vereinzelt an den Triebspitzen wieder verkrüppelte Blätter und viele Geiztriebe. Im August und September tritt an älteren Blättern eine schwarze Verfärbung an der Oberseite auf. Diese ähnelt etwas den Symptomen bei Spinnmilbenbefall. Die Verfärbung ist bei genauem Betrachten entlang der Blattadern in den Vertiefungen am stärksten und dadurch netzförmig. Die Kräuselmilben werden wegen dieses Schadsymptoms im englischen Sprachraum „rust mite" (Rostmilbe) genannt.

Abbildung: Blattberostung durch Kräuselmilben

An jungen Geiztriebblättern und den das Wachstum beendenden Triebspitzen findet man zu diesem Zeitpunkt Aufhellungen. Diese kommen dadurch zustande, dass sich in der Umgebung der Stichstelle keine Blattgrün-enthaltenden Zellen entwickeln. Am häufigsten treten Kräuselmilben in jüngeren Anlagen bis zum 6. Standjahr auf. Der Hauptschaden durch Kräuselmilben entsteht kurz nach dem Austrieb. Neben einer allgemeinen Schwächung der Vitalität der Stöcke verursacht die Kräuselmilbe Deformationen des Stockaufbaus, das sogenannte Hochbauen. Die Ertragsverluste können erheblich sein, und werden nicht durch höhere Qualität ausgeglichen. Die Schäden im August und September sind wesentlich geringer als die Schäden der Spinnmilben. Die Kräuselmilben zerstören die Schutzschichten (obere und untere Epidermis) nicht so massiv wie Spinnmilben, sondern besaugen diese Zellschicht, wobei die Zellen sich zwar verfärben, aber nicht sofort absterben.
Kräuselmilben überwintern als ausgewachsene Tiere in Massen in den Knospen an der Basis der einjährigen Triebe und an der Übergangsstelle zum zweijährigen Holz. Mit dem Austrieb beginnen sie mit der Saugtätigkeit. Die Tiere wandern zunächst ständig zur Triebspitze. Pro Jahr entwickeln sich zwei Generationen, die schubweise im Juni und im August auftreten. Ende August wandern die Tiere nicht mehr zur Triebspitze, sondern zunehmend nach unten und sind dann vorzugsweise auf den älteren Blättern zu finden. Ab September wandern sie in ihre Winterverstecke.
Der Speichel der Tiere beeinflusst das Wachstum der angestochenen Zellen. Dadurch kommt es zu einer Verringerung der apikalen Dominanz (= Unterdrückung der Seitentriebe durch die Triebspitze), so dass vermehrt Geize austreiben. Außerdem entwickeln sich deformierte Blätter und Triebe. Bei starker Saugtätigkeit an älteren Blättern wird die Epidermis (Schutzschicht) zerstört. Bei Trockenheit können die Blätter durch die Schädigung dieser Schutzschicht im Extremfall vertrocknen.
Die Ausbreitung erfolgt mit dem Wind, eventuell auch durch Anklammern an andere Insekten. Parzellen in der Nachbarschaft stark befallener Anlagen sind sehr gefährdet. Häufig werden Kräuselmilben vermutlich auch aus Rebschulen eingeschleppt.
Wichtige natürlich Gegenspieler der Kräuselmilbe sind vor allem Raubmilben (Typhlodromus pyri). Diese vertilgen in großen Mengen Kräuselmilben und vermehren sich dabei sehr gut (Engel, 1990). Da sich Raubmilben vorzugsweise auf älteren Blättern, Kräuselmilben jedoch bis zum August an der Triebspitze aufhalten, ist die Kontrolle nicht so sicher wie bei Spinnmilben. Als weitere Gegenspieler werden räuberische Blasenfüße (Thripse) erwähnt (Schruft 1962).

Ursachen der Kräuselmilbenausbreitung

Zur schnellen Ausbreitung resistenter Stämme hat sicher auch beigetragen, dass Kräuselmilben sehr leicht und unerkannt in den Knospen mit Pfropfrebe und Schnittholz verschleppt werden können. In vielen Junganlagen dürfte die Kräuselmilbe bereits aus der Rebschule mitgebracht werden. Der wichtigste Gegenspieler, die Raubmilben, dagegen kann auf Pfropfreben kaum überleben. Da Raubmilben erst allmählich zuwandern, werden junge Anlagen auch am ehesten befallen.
Beim Austrieb ähneln die Schadsymptome den vom Phomopsispilz verursachten Schäden. Bei starkem Phomopsisbefall ist jedoch immer ein starker Befall am einjährigen Holz zu finden (weißverfärbte oder schwarze Triebteile). Bei Phomopsis sind zusätzlich zu den gekräuselten Blättern auch Symptome an den grünen Trieben zu finden. Ähnliche Symptome wie durch Kräuselmilben treten auch bei Befall durch den Pilz Eutypalata auf, der aber in der Regel nur einzelne Stöcke befällt.
Die Braunfärbung im Spätsommer könnte mit Spinnmilbenbefall verwechselt werden. Spinnmilben sind aber mit bloßem Auge gut zu finden. Kräuselmilben dagegen sind erst mit einer sehr stark (mindestens 15-fache) vergrößerten Lupe zu erkennen. Netzförmige Verbräunungen sind ein sicheres Zeichen für Kräuselmilbenbefall.

Bekämpfung

Kräuselmilben treten nach den Erfahrungen der LVWO Weinsberg nicht nur - vor allem aber - in Anlagen auf, in denen keine oder sehr wenige Raubmilben vorhanden sind. Wichtigste Bekämpfungsmaßnahme ist deshalb langfristig das Ansiedeln von Raubmilben oder eine Umstellung auf raubmilbenschonende Spritzung. Werden Raubmilben geschädigt, so kann dadurch eine Massenvermehrung von Kräuselmilben provoziert werden. Netzschwefel hat eine deutliche Nebenwirkung auf Kräuselmilben. Vor allem im Vorblütebereich sollte deshalb dem Netzschwefel vor andern Mitteln der Vorzug gegeben werden. Bei extremem Oidiumdruck kann Netzschwefel zusammen mit organischen Mehltaufungiziden (jeweils volle Aufwandmenge) eingesetzt werden.

Bei starkem Vorjahresbefall ist eine Bekämpfung im Wollestadium notwendig. Diese sollte bei Temperaturen über 15° erfolgen, da erst dann die Milben aktiv werden. Zum Einsatz kommt Netzschwefel 3,6kg/ha. Bei zögerlichem Austrieb ist die Behandlung zu wiederholen. Im Wollestadium kann durch gleichzeitige Anwendung eines Mineralöls (zugelassen gegen Spinnmilben) die Wirkung verstärkt werden. Bei einer Spinnmilbenbekämpfung mit Kiron im August werden Kräuselmilben ebenfalls mit bekämpft.

Abbildung: links Befall, rechts erfolgreich bekämpft

Literatur

Engel, R. (1991): Alternative prey and other food resources of the phytoseiid mite Typhlodromus pyri (Scheuten). Bull. OILB/SROP 1990/XIII/7, 124 - 127.
Redl, H. (1998): Die gegenwärtige Situation des Rebschutzes in Österreich. Gesunde Pflanzen 40, 270 - 274.
Redl, H. und Hiebler, A. (1991): Untersuchungen über die Bekämpfungsmöglichkeiten der Kräuselmilbe Calepitrimerus vitis Nal. in einem integrierten Rebschutzprogramm. Mitt. Klosterneuburg 41, 56 - 64.
Schruft, G. (1962): Beiträge zur Kenntnis der Biologie der Kräuselmilben an Reben. Die Wein-Wissenschaft 17, 191 - 211.
Schruft, G. (1966): Neue Erkenntnisse bezüglich des Überwinterungsortes der Kräuselmilbe der Reben. Die Wein-Wissenschaft 21, 481 - 483.
Stellwag, F. (1921): Die Weinbauinsekten der Kulturländer. Parey-Verlag, Berlin.

 

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