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Kompakte Trauben - ein unlösbares Problem?

 

Von Dr. Walter K. Kast,

LVWO Weinsberg

 

 

 

Essigfäule und der Befall durch Schimmelpilze wie Penicillium bereiten in den letzten Jahren zunehmende Probleme. Ein wichtiger Faktor dabei ist die Veränderung des Klimas. Die Bedingungen während der Weinlese haben sich drastisch verändert (Abbildung 1).

 

Abbildung1: Klimatrend errechnet aus den Weinsberger Daten von Dr. D. Rupp

 

Während früher dabei  typischerweise ein Parka getragen werden musste, reicht heute vielfach ein T-Shirt für diese Arbeiten aus. Die höheren Temperaturen während der Weinlese sind jedoch nur ein Faktor der zu dem starken Befall mit diesen Krankheitserregern beiträgt. Da diese Fäulniserreger nur verletzte Trauben besiedeln können, spielt die Kompaktheit oft die entscheidende Rolle. Durch Verletzungen entstehen die Eintrittspforten für diese Krankheitserreger (Abbildung 2). Lockerbeerige Klone und Sorten haben dabei entscheidende Vorteile. Während beim Spätburgunder eine Vielzahl derartiger Klone zur Verfügung stehen, fehlen lockerbeerige Klone zum Beispiel bei den Rebsorten Grauburgunder, Weißburgunder und Schwarzriesling. Aber selbst die Rebsorte Riesling entwickelte in den letzten Jahren vielfach extrem kompakte Trauben. Fungizide können zur Lösung der Problematik der Essig - und Penicilliumfäule keinen wesentlichen Beitrag leisten. Entscheidende Verbesserungen sind nur durch eine angepasste Kulturtechnik zu erreichen.

 

 

Abbildung 2: Essigfäule durch zu kompakte Trauben

 

Rebenwachstum, Ertragsbelastung und Kompaktheit

 

Kompakte Trauben entstehen zum einen durch eine hohe Anzahl nach der Blüte verbleibender Beeren zum anderen auch durch zunehmende Größe der einzelnen Beeren. Der erste Faktor wird hauptsächlich von den Bedingungen während und kurz vor der Blüte beeinflusst,. der zweite ganz entscheidend von den Wachstumsbedingungen nach der Rebblüte. Bei nicht optimalen Blühbedingungen ist die Zahl der angesetzten Beeren sehr stark von den Reservestoffen abhängig, über die der Rebstock verfügt. Die günstige Witterung der letzten Jahre hat die Bildung großer Reserven sehr gefördert. Auch die im Rahmen der immer mehr an Bedeutung gewinnenden Qualitätsproduktion reduzierten Erträge begünstigen die Einlagerung großer Reserven. Reduzierte Erträge fördern deshalb die Entwicklung kompakter Trauben. Die für die Qualität optimale Ertragsbelastung ist aus diesem Grund  sehr stark abhängig vom Wachstum der Reben. Das Verhältnis von Traubenertrag und Holzertrag folgt einer Optimumskurve (Abbildung 3). Nicht nur im Bereich übermäßiger Erträge, auch im Bereich sehr geringer Erträge sinkt die Qualität dann ab, wenn die Relation zur Wuchsleistung der Rebstöcke ungünstig wird. Im letzteren Fall sind die zunehmend größer werdenden Beeren und Trauben das entscheidende Problem. Wichtig vor allen Dingen für eine Qualitätsproduktion sind deshalb Kenntnisse über die tatsächliche Wuchsleistung der Rebanlagen.

 

 

 

Abbildung 3: Optimumskurve zum Verhältnis des Traubenertrags zum Schnittholzgewicht

 

 

Die Wuchsleistung der Reben kann sehr gut und relativ einfach erfasst werden, indem man das Gewicht des frischen Schnittholzes beim Rebschnitt bestimmt. Für Keltertrauben gilt die grobe Faustzahl, dass der Traubenertrag etwa das vierfache des Schnittholzertrags betragen sollte. Diese Faustregel gilt  für alle Sorten und unter den verschiedensten klimatischen Bedingungen und Bodenverhältnissen. Sie beruht auf langjährigen Erfahrungen, nicht auf exakten Versuchen und kann deshalb nur als grobe Richtschnur angesehen werden. Unterschreitet der Traubenertrag das vierfache des Schnittholzertrags, so reagieren die Reben mit einer deutlichen Vergrößerung der Beeren und in den Folgejahren mit verstärktem Gescheinsansatz, insbesondere aber auch mit größeren und kompakteren Gescheinen und Trauben (Abbildung 4). Liegt der Traubenertrag über dem vierfachen des Schnittholzgewichts, so geht tendenziell das Wachstum der Reben zurück und die Beeren werden kleiner. In diesem Bereich greift jedoch immer stärker die bekannte Beziehung zwischen Ertrag und Qualität, das heißt die Qualität fällt durch Überlastung der Rebstöcke stark ab. Je weiter sich die Traubenertrags - Schnittholzgewichts-Relation vom Verhältnis vier zu eins entfernt, desto wichtiger werden gezielte Maßnahmen gegen die Kompaktheit der Trauben oder aber Maßnahmen zur Regulierung der Wüchsigkeit.

 

 

Abbildung 4: kompakte von innen heraus faulende Trauben sind typisch für
Ertrags/Holz-Relationen von 2:1 (zu starkes Wachstum bei niederem Ertrag)

 

Eine Bestimmung des Schnittholzgewichte ist relativ schnell durch eine Stichprobe möglich. Dazu werden in einer ca. 25 Ar großen Rebfläche mindestens 10 normal entwickelte Rebstöcke nach dem Laubfall im November fertig geschnitten, das Gewicht der abgeschnittenen Teile gewogen und das Gesamtgewicht auf die Fläche von 1 Ar hochgerechnet. In der Regel sind ca. 40 Rebstöcke je Ar vorhanden, so dass das ermittelte Gewicht der 10 Rebstöcke etwa mit dem Faktor 4 multipliziert werden muss.

 

Kulturtechnische Maßnahmen gegen kompakte Trauben

 

Um das Verhältnis von Traubenertrag zu Wuchsleistung bei Werten unter vier zu eins wieder ins Gleichgewicht zu bringen, sind Maßnahmen die die Wüchsigkeit reduzieren erforderlich. Die Stickstoffdüngung muss verringert und die Bodenbearbeitung extensiviert werden. Starkes Wachstum kann durch Begrünung der Rebflächen und längeres Belassen des Aufwuchses vermindert werden.

 

Die Beerengröße kann durch Maßnahmen verringert werden, die die Versorgung der jungen Beeren mit Assimilaten reduziert. Durch spätes Gipfeln wirken die Triebspitzen als Konkurrenten um Assimilate zu den Trauben und Beeren. Auch eine frühzeitige Entblätterung in der Traubenzone kurz nach der Blüte führt kurzzeitig zu einer schlechteren Versorgung der Beeren mit Assimilaten. Beide Maßnahmen führen zu kleineren Beeren und dadurch weniger kompakten Trauben (Abbildung 5a+b) ).

 

  

 

Abbildung 5 a und b: sachgerechte Entblätterung bei Rotweinsorten

 

Die Wasserversorgung kann in Mitteleuropa nicht  wie in den  im Sommer regenfreien Gebieten in Kalifornien und Australien exakt gesteuert werden. Während des Wachstums der jungen Beeren sollte auf keinen Fall bewässert werden, weil eine knappe Wasserversorgung zu weniger kompakten Trauben führt. Nur in extremen Fällen vor allem auch in jüngeren Anlagen ist in der Beerenwachstumsphase eine Zufuhr von Wasser notwendig. In der Regel ist eine Bewässerung erst ab dem Rebstadium BBCH81 (Beginn des Weichwerdens) sinnvoll.

Eine Verringerung des Wachstums könnte bei begrenzten Erträgen und starkem Wuchs auf kräftigen Böden auch durch den Einsatz schwach wachsender Unterlagen erzielt werden. Die Unterschiede zwischen den zur Verfügung stehenden Unterlagen sind jedoch zu gering, um das Problem entscheidend zu beeinflussen. Die einzige besonders schwach wachsende Unterlage 3309C ist auf den meisten Rebstandorten wegen ihrer geringen Kalkverträglichkeit ungeeignet.

Einsatz von Bio-Wachstumsregulatoren

 

Für die Rebsorten der Burgundergruppe (Weiß-, Grau- und Spätburgunder, sowie Schwarzriesling) wurde in den letzten Jahren jeweils kurzfristig der Bio-Wachstumsregulator  Gibb3 zur Bekämpfung der Essigfäule zugelassen. Bei dieser Rebsortengruppe wird regelmäßig ein sehr guter Effekt gegen kompakte Trauben erzielt. Der Fäulnisgrad insbesondere auch der Befall durch Essigfäule und Penicillium ist drastisch vermindert (Abbildung 6).

 

Die bisher in Weinsberg erzielten Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Einsatz im Bereich von BBCH 63 (30 % der Blütenkäppchen abgeworfen) bis BBCH 68 (abgehende Blüte) möglich ist, wobei in diesem Bereich kaum Unterschiede in der Wirkung festzustellen waren. Für eine gute Wirkung sind die Gescheine tropfnass zu spritzen. Befürchtungen, dass bei ungünstiger Witterung und dadurch verzögerter Blüte der Reben die Gescheine zu stark verrieseln, haben sich als unbegründet erwiesen. Die Wirkung des Bio-Wachstumsregulators ist um so besser, je kompakter die Blüte ist. Bei ungünstigen Blühbedingungen und dadurch natürlichem Verrieseln ist die Wirkung von Gibb3 am schwächsten. Neben der Wirkung gegen Fäulniserreger bringt die Auflockerung des Stielgerüsts erhebliche qualitative Vorteile. Besonders die Rotweinsorten profitieren durch die verbesserte Farbintensität und Phenolstruktur (Abbildungen 6a-c) . Unabhängig von einer möglichen Reduktion des Ertrags kann mit einem bis zu drei Grad Öchsle höheren Mostgewicht gerechnet werden.
 


Abbildungen 6 a - c: Wirkung des Bio-Wachstumsregulators Gibb3 auf Lockerheit, Fäulnisbefall und Rotweinfarbe

 

 

Trauben Halbieren bei Premiumproduktion

 

Wie oben erwähnt werden die Trauben besonders kompakt wenn das Verhältnis von Traubenertrag zu Holzleistung in den ungünstigen Bereich unter vier zu eins rutscht. Dies ist in der Praxis häufig dann der Fall, wenn der Ertrag für Premiumproduktion besonders drastisch reduziert wird. Werden Trauben halbiert, so haben die verbleibenden Beeren durch die kugelige Form wesentlich mehr Platz. Das Halbieren der Trauben sollte am besten in der Phase „Erbsengröße der Beeren“ (BBCH75) erfolgen. Verletzte Beeren trocknen in diesem Stadium relativ rasch ein oder verkorken. Die Fäulnisneigung ist bei diesem Verfahren der Ertragsreduktion deutlich geringer als beim Ausdünnen auf eine Traube pro Trieb (Abbildung 7).

 

Abbildung 7: Ergebnisse eines Versuches zu Ertragsreduzierung mit verschiedenen Methoden bei der Rebsorte Schwarzriesling

Zukünftig keine Probleme mehr?

Bei den Sorten der Burgundergruppe kann der Einsatz von Bio-Wachstumsregulatoren das Problem wesentlich entschärfen, aber bei Sorten wie z. B. Riesling und Muskateller stehen derzeit allein die kulturtechnischen Maßnahmen zur Verfügung. Kulturtechnische Maßnahmen gegen Kompaktheit können das Problem aber nur entschärfen. Eine nachhaltige Lösung des Problems kann nur über die Entwicklung lockerbeeriger Klone und eventuell neue, besonders schwach wachsende Unterlagen erreicht werden.

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