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Bewässerung richtig einsetzen


Dr. Dietmar Rupp, Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg

 

Vor allem im Anbaugebiet Württemberg war in der vergangenen Saison nur auf wenigen Standorten ein Bewässerungsbedarf zu verzeichnen. Statt dessen sind die teils heftigen Regenfälle im Juli und September 2005 in Erinnerung. Mit ihren unangenehmen Folgen wie Botrytis und Essigfäule  ließen sie im letzten Herbst das Thema Wasserversorgung in anderem Licht erscheinen.

Dennoch wird die Bewässerung in den kommenden Jahren ein wichtiges Thema bleiben. In Baden-Württemberg können ab dem Jahr 2006 Tropfbewässerungsanlagen im Rahmen der Umstrukturierung gefördert werden. Nachdem innerhalb einer einzelbetrieblichen Förderung ein Zuschuss von 50 % der förderfähigen Kosten bei einem maximalen Förderbeitrag von 1.800 € /ha möglich ist, wird dies einige Neuinstallationen nach sich ziehen.

 

Weinqualität und Wirtschaftlichkeit verbessern

Zehn bis fünfzehn Grad Mostgewichtserhöhung durch Bewässerung waren im Trockenjahr 2003 durchaus möglich. Langfristige Beobachtungen zeigen allerdings, dass in „normalen“ Bewässerungsjahren allenfalls 3 - 5 °Oe realistisch sind. Mittlerweile dient zumindest im weinbaulichen Versuchswesen nicht mehr allein das Mostgewicht  als Qualitätsmaßstab, sondern es werden auch andere Parameter zur Bewertung der Traubenqualität (Aminosäuren, hefeverwertbarer Stickstoff, Aromastoffe etc.) herangezogen. Die Datenlage der in den letzten Jahren veröffentlichten Bewässerungsversuche ist hier nicht einheitlich. Durch die exakte Bewässerung konnte neben dem Mostgewicht meist die titrierbare Gesamtsäure erhöht sowie der Kaliumgehalt im Most angehoben werden. Eine Verbesserung der einschlägigen Stickstoffparameter (Aminosäuren) trat jedoch nicht durchgängig auf. So verwundert es nicht, dass letztlich auch bei den Weinbewertungen widersprüchliche Berichte auftauchen. Am Rande sei angemerkt, dass natürlich Versuchsergebnisse mit entsprechend eindeutigen Ergebnissen in der Öffentlichkeit stärker beachtet werden.

Interessant sind Beobachtungen zum Alterungsverhalten von Weinen aus Bewässerungsversuchen. Abbildung 1 zeigt die Verkostungsergebnisse für Weine aus dem Versuchjahr 2003. Wurde das Produkt aus der bewässerten Rieslingparzelle kurz nach der Flaschenfüllung eindeutig besser bewertet als jenes der trockenstehenden Rebstöcke, so fiel das Urteil zwei Jahre später nicht mehr so klar zugunsten der Bewässerungsvariante aus. Allerdings wurden die wertgebenden Aroma- und Geschmacksattribute jetzt besser benotet. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten muss ein Wein heutzutage aber nicht nur gut sein. Sein Herstellung und Vermarktung muss sich für den Betrieb auch rechnen.

 

 

  

Abbildung 1: Weinbewertungen für 2003er Riesling aus bewässerten (Wassergabe 2003: 64 Liter/m2) und unbewässerten Versuchsflächen in Burg Wildeck zu 2 Terminen (oben:  29.7.2004, unten: 14.3.2006). Das offenbar höhere Alterungspotenzial des Weines aus den bewässerten Parzellen findet zum 2. Termin (2 Jahre nach Flaschenfüllung) seinen Niederschlag in der höheren Punktezahl für die Aroma- und Geschmacksattribute. Allerdings ist die Bevorzugung durch die Prüfer (Rangziffer) nicht mehr so eindeutig wie beim 1. Verkostungstermin.

 

 

 

Die LVWO Weinsberg hat schon vor einigen Jahren die Rentabilität von Tropfbewässerungsanlagen untersucht (RUPP und STEINER 2003). Dabei zeigte sich, dass die eingesetzte Investitionssumme und die Betriebskosten einer festinstallierten Anlage nur dann eine Rendite erbringen, wenn auf der bewässerten Rebfläche mindestens alle 4 Jahre ernsthaft Trockenheit auftritt (Abbildung 2). Wichtige Voraussetzung bei den Modellrechnungen war, dass der Einsatz der Bewässerung so gezielt erfolgt, dass bei Sicherung der Ertragshöhe eine deutliche Mostgewichtsverbesserung von mindestens 4  - 5 °Oechsle erreicht wird und die verbesserte Trauben- oder Weinqualität in der Vermarktung oder Traubengeldauszahlung auch einen Niederschlag findet.

 

 

 

 

Abbildung 2: Rentabilität einer Tropfbewässerungsanlage in Abhängigkeit von der Mostgewichtssteigerung (Auszahlungsmodell Genossenschaft) und der Häufigkeit der Trockenjahre (Nutzungsdauer der Anlage 15 Jahre). Angenommen ist der Einbau in eine bestehende Rebanlage ohne Inanspruchnahme von Fördermitteln. Die durchgezogene Linie zeigt die Rendite einer entsprechend langfristigen Kapitalanlage.

 

 

Das Ziel im Auge behalten

Die Erfahrungen nach 3 Jahren „Wasser marsch !“ (die Freigabe der Bewässerung auch für Flachlagen erfolgte im August 2002) haben die Ergebnisse der Praktiker und Versuchsansteller aus den 1970er und 1980er Jahren weitgehend bestätigt: Es sind nicht nur die Wassermengen, die in Trockenzeiten in den Weinberg geleitet werden. Viel wichtiger ist der Zeitpunkt der Bewässerung. Ob natürlicher Regen oder mit dem Tankwagen zugefahren - eine gute Wasserversorgung während und nach der Blüte und/oder bei fortgeschrittener Reife wird meist Ertrag erhöhen und die Qualität mindern. Nur in einem engen Korridor zwischen Anfang August und Reifebeginn lassen sich Qualitätsverbesserungen bei weitgehend unbeeinflusster Ertragshöhe erzielen. Nicht in dieses Schema passt natürlich das Jahr 2003. Hier begann die Vegetation mit einem bereits deutlich ausgeprägten Wasserdefizit, fachlich richtig angedachtes Bewässern kam hie und da zu spät. Vor allem Junganlagen litten an Wassermangel. Wenngleich die Ansichten in der Praxis auseinandergehen, kann die Bewässerung in den ersten Standjahren doch einen Beitrag zum raschen Bestandsaufbau liefern.

Allerdings kann dies nicht bedeuten, die Weinbergsböden in Jung- oder Ertragsanlagen vorsichtshalber ständig gefüllt zu halten. Schließlich - und das sind die Erfahrungen der Saison 2004 und 2005 - muss beziehungsweise kann in Mitteleuropa eben auch mit kräftigen Sommerniederschlägen gerechnet werden.

 

Deshalb wird eine qualitätsorientierte Bewässerung nicht ohne Steuerungskonzept auskommen (Abbildung 3). Vor jeder geplanten Wassergabe sollten drei Fragen mit Ja beantwortet werden: Ist das Stadium der Reben- bzw. Traubenentwicklung  geeignet ? Sind die Bodenwasservorräte erschöpft, bzw. ist das schädigende Stressniveau erreicht ? Ist kurzfristig wirklich kein Regen zu erwarten ?

Der Stand der Rebentwicklung ist leicht zu erkennen und die Regenaussichten können je nach Vertrauen in den Wetterbericht gut abgeschätzt werden. Schwierig zu erlangen sind Auskünfte zur Wasserverfügbakeit oder dem sich anbahnenden Trockenstress für die Rebe. Eine Minderung der Leistungsfähigkeit beginnt bereits vor dem Erscheinen von Schadsymptomen wie vergilbten Blättern, abgestorbenen Triebspitzen oder abgeworfenen Ranken.

 

 

Abbildung 3: Steuerungskonzept für den Betrieb ein Tropfbewässerungsanlage im Weinbau. Nur wenn die Wassergabe im physiologisch sinnvollen Zeitraum und bei tatsächlich beginnendem Wasserstress erfolgt, kann eine Qualitätsverbesserung erreicht werden. 

 

 

Messen, Rechnen und Beobachten

Im Weinbau ist alles anders. Viele Konzepte zur Bewässerungssteuerung, die in anderen Kulturen seit langem mit Erfolg genutzt werden, taugen nicht für die Erzeugung von Keltertrauben.  Während Gemüse- und Obstbau meist an großen Früchten und hohen Erträgen orientiert sind, geht es im Weinbau, zudem noch im Rahmen der Mengenbegrenzung, um die Inhaltsstoffbildung (Zucker, Farb- und Aromastoffe) der Beere. Während auf Obstbauflächen und in Gemüsebeeten meist ein hohes Niveau der Wasserversorgung gewollt ist, soll die Bewässerung im Weinbau nach heutigem Verständnis nur dazu dienen, einen übermäßigen Trockenstress abzuwehren.

Für den Messbereich der zunehmenden Bodenaustrocknung ist daher die Mehrzahl der bekannten Feuchtesensoren und Bodenfühler (Tensiometer, Watermarksensoren) nicht geeignet. Spezielle Messsonden mit hochauflösender Elektronik (TDR-Sonden, Kapazitätsfühler etc.) können trotz der Einbindung in Funkübertragungssysteme wegen der hohen Anschaffungskosten eben meist nur punktuell eingesetzt werden.

Grosse Hoffnung ruht auf der indirekten Bestimmung der Wasserverfügbarkeit über die Bilanzierung des Bodenwasserhaushalts. Hierfür wurden im Internet-Beregnungsberater agrowetter.de des Deutschen Wetterdienstes entsprechende Möglichkeiten eingerichtet. Nach mehrjähriger Prüfung hat sich gezeigt, dass auf der Basis von Bodenkennzahlen und Wetterdaten der Verlauf der Bodenwassergehalte auch im Weinbau recht gut beschrieben werden kann. Problematisch sind aber tonreiche Standorte mit Schrumpfrissbildung sowie vor allem skelettreiche Steillagen mit Ungewissheit über die Ausdehnung des Wurzelsystems. Schwierigkeiten macht auch die Bewertung der nur punktuellen Wasseranreicherung beim Betrieb der Tropfbewässerung.

Bereits 1965 hat der amerikanische Pflanzenphysiologe SCHOLANDER die nach ihm benannte Druckapparatur zur Messung der Saugkräfte im pflanzlichen Gewebe vorgestellt. Seit langem schon wird diese Methode auch im Weinbau verwendet um den aktuellen Wasserversorgungsgrad von Reben zu ermitteln. Ein Rebblatt wird dazu in eine Druckkammer eingespannt und mit Hilfe von Pressluft werden die feinen Wasserfäden  der Leitbahnen am überstehenden Ende des Blattstiels bis zum Erreichen des  Gleichgewichtsdruckes herausgepresst. Derzeit wird empfohlen, ab einem Druck/Sog (Wasserpotenzial) von   - 0,3 MPa (- 3 bar) mit der Bewässerung zu beginnen. Die Methode besticht durch die direkte „Befragung“ der Pflanze und die Berücksichtigung des unzugänglichen Wurzelsystems.

Leider kostet eine derartige Druckapparatur gegenwärtig etwa 3.000,- Euro und unterliegen die Saugspannungen in der Rebe einem starken Tagesgang. Daher liefern die Messungen nur frühmorgens, vor Sonnenaufgang,  verlässliche Informationen. In Weinsberg geht die Sonne Ende Juli um 4.50 Uhr (MESZ) auf.

Keine Apparate, aber ein geschultes Auge und ein wenig Zeit erfordert dagegen das gezielte Beobachten der Rebbestände. Der erfahrene Praktiker kennt in seinen Rebflächen die Bereiche, in denen Trockenheit zuerst auftritt (querlaufende Steinmergelbänke, skelettreiche Hangkanten, Mauerkanten etc.). Treten hier erste Trockenheitssymptome auf (Einstellen des Triebwachstums, Strecken der Ranken, Welkeerscheinungen, Blattvergilbungen), dürfte bei den angrenzenden Flächen, die noch keine Symptome zeigen, der Bewässerungsbeginn gekommen sein. Vorausgesetzt die anderen Voraussetzungen (Abbildung 3) sind ebenfalls erfüllt.

 

Tropfbewässerung: öfter wenig statt einmal viel

Das Wasserspeichervermögen von Weinbergsböden ist je nach Bodenart, Verdichtungsgrad und Steingehalt unterschiedlich entwickelt. Maximale Wassergaben von 6 - 10 Litern / Tropfer / Termin bieten auf den meisten Standorten die Gewähr für eine ausreichende Durchfeuchtung ohne Absickerung in den Untergrund. Allerdings kann dort, wo durch Schrumpfrisse oder Regenwurmröhren ein Weg gebahnt ist, das Wasser sehr rasch in tiefere Schichten gelangen. Vorsicht geboten ist allemal bei der Bewässerung von Terrassenlagen. Versehentliches Überwässern oder technische Defekte (Rohrbruch) können hier zu Erdrutschen und dem Einsturz von Mauern führen.

Eine zentrale Frage bleibt nach wie vor die Wasserbeschaffung und -bereitstellung. Ihre Beantwortung

hat eine wirtschaftliche und auch eine rechtliche Komponente. Der Wasserpreis spielt dabei oft eine Nebenrolle. Zu klären sind die Möglichkeiten und Kosten einer Zuleitung oder der Beschaffung eines ausreichend dimensionierten Tankwagens inklusive variabler Kosten für Transportfahrten.

Wo das Wasser aus Bächen, Flüssen oder dem Grundwasser kommen soll, sind wasserrechtliche Genehmigungen notwendig. Bereits das Niederbringen einer Brunnenbohrung muss genehmigt werden. Nicht zuletzt ist ggf. beim Wasserversorger  eine Befreiung von der Abnahmepflicht zu beantragen.

 

Fest steht: Die Zusatzbewässerung kann für trockenheitsgefährdete Standorte ein wichtiger Baustein zur langfristigen Ertragssicherung und Qualitätsverbesserung sein. Um einen Erfolg zu erreichen, muss die Bewässerung aber behutsam und gezielt eingesetzt werden. Wird der Wasserhahn aufgedreht, so sollte bei aller Begeisterung für den tröpfelnden Regenersatz jedoch die Notwendigkeit einer standortangepassten Bodenpflege nicht in Vergessenheit geraten. Erst wenn hier alle Möglichkeiten im wahrsten Sinn des Wortes ausgeschöpft sind, ist „Wasser marsch“ tatsächlich sinnvoll.

 

 

RUPP, D. und H. STEINER: „Zur Rentabilität von Tropfbewässerungsanlagen - was kostet das?“

Das Deutsche Weinmagazin, 8, 30 - 33, (2003)

 

 

 

 

 

 

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