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Agrarforschung
Ermittlung von Geruchsschwellen bei Rinderställen und Neufestlegung von Geruchsäquivalenzfaktoren

Universität Hohenheim, Institut für Agrartechnik,
Verfahrenstechnik in der Tierproduktion und landwirtschaftliches Bauwesen
Prof. Dr. T. Jungbluth                                                                                
Mai 1995 - Februar 1996

Problemstellung

Aus Tierställen emittierende Gerüche können mitunter eine Belästigung für benachbarte Anwohner darstellen. Der Belästigungsgrad von Geruchsimmissionen nimmt erfahrungsgemäß mit zunehmender Entfernung von der Emissionsquelle ab. Zur Berechnung des einzuhaltenden Mindestabstandes von Stallanlagen zur nächsten Wohnbebauung werden Abstandsregelungen wie die TA-Luft, die VDI-Richtlinien "Emissionsminderung in der Tierhaltung” VDI 3471 (Schwein) und VDI 3472 (Huhn) herangezogen. Als Abstandsregelung für die Rinderhaltung liegt ein Gründruck der VDI-Richtlinie 3473 vor. Um Verbesserungen gegenüber dem Gründruck geltend machen zu können, müssen Daten, die bisher nur empirisch ermittelt wurden, in der Praxis überprüft werden.

Zielsetzung

Um den Gründruck der VDI-Richtlinie 3473 zu modifizieren, ist die Ermittlung der tatsächlichen Geruchsschwellen mit Hilfe von Fahnenbegehungen notwendig. Anhand von repräsentativen Fahnenbegehungen nach der VDI-Richtlinie 3940 (Bestimmung der Geruchsstoffimmissionen durch Begehungen) war zu überprüfen, ob die in der VDI-Richtlinie 3473 angeführten Mindestabstände auf dem dort beschriebenen Niveau belassen werden können.

Untersuchungsmethode

Für die Durchführung der Fahnenbegehungen wurden zunächst insgesamt 12 Betriebe in für Baden-Württemberg typischen Betriebsgrößen ausgewählt. Diese entsprechen dem in der VDI-Richtlinie 3473 beschriebenen Geltungsbereich bestmöglich und stellen somit Einzelquellen dar. Pro Betrieb waren zunächst 13 Begehungen für eine repräsentative Ermittlung der Geruchsschwellenentfernung in der Sommer- und der Wintersituation vorgesehen. Das Ergebnis einer Fahnenbegehung stellt die Häufigkeitsverteilung der Geruchswahrnehmungsintensitäten in Abhängigkeit zur Entfernung der jeweiligen Stallanlage dar. Hieraus werden für vorgegebene Wahrnehmungshäufigkeiten mit Hilfe linearer Regressionen die betriebstypischen Geruchs- und Erkennungsschwellenabstände ermittelt (Intensitätsstufe 3 nach VDI-Richtlinie 3882 Bl. 1).

Versuchsdurchführung:

Zu Beginn jeder Fahnenbegehung wird die PC-gestützte Wetterstation aufgestellt. Bei nahezu Windstille wird die Findung der Windrichtung durch den Einsatz von Nebelpatronen unterstützt. Die maximale Ausdehnung der Geruchsfahne ist in Windrichtung, also in Lee des zu untersuchenden Emittenten, zu erwarten. Danach werden jeweils fünf Probanden in Lee vom Geruchsemittenten (Rindviehstall) auf Schnitten zur aktuellen Windrichtung aufgestellt. Bei jedem Begehungstermin werden drei je 10minütige Einzelmessungen mit unterschiedlich großen Abständen zum Stall durchgeführt, um dort die Häufigkeitsverteilung der Geruchs-Wahrnehmungsintensitäten zu ermitteln. Die für eine spätere Auswertung notwendigen aktuellen Betriebsdaten und eventuell auftretenden Besonderheiten werden in einem Betriebserhebungsbogen eingetragen.

Ergebnisse

Die Fahnenbegehungen fanden bei einer durchschnittlichen Außentemperatur von 20,6 °C im Sommer und -1,8 °C im Winter statt. Wie zu erwarten war, lagen die relative Luftfeuchte und der Bedeckungsgrad im Sommer wesentlich niedriger als im Winter; mit den Windgeschwindigkeiten verhielt es sich dagegen genau umgekehrt.

  1. Die betriebstypischen Geruchsschwellenabstände (Wahrnehmungshäufigkeit von 0 %) aller untersuchten Betriebe liegen im Durchschnitt um 37 % unter den nach VDI-Richtlinie 3473 geforderten Mindestabständen. Die ermittelten Werte schwanken je nach untersuchtem Betrieb von 61,1 m bis 98,4 m. Die Abstände nach der VDI-Richtlinie schwanken dagegen zwischen 102,6 m und 151,9 m.
  2. Die Erkennungsschwellenabstände (Wahrnehmungshäufigkeit von 0 %) aller untersuchten Betriebe liegen im Durchschnitt um 50 % unter den nach VDI-Richtlinie 3473 geforderten Mindestabständen. Die ermittelten Werte schwanken hier zwischen 42,8 und 86,1 m. Werden die Geruchs- und Erkennungsschwellenabstände für vorgegebene Wahrnehmungshäufigkeiten von 5 %, 10 % und 15 % berechnet, so liegen die Abstände noch einmal wesentlich niedriger als die für 0 % ermittelten. Dies führt zu einer weiteren Vergrößerung der Differenz zwischen den aus Begehungen ermittelten Geruchs- und Erkennungsschwellenabständen und den nach VDI-Richtlinie 3473 berechneten Mindestabständen.
  3. Die Beziehungen der ermittelten Geruchs- und Erkennungsschwellenabstände zum durchschnittlichen Tierbesatz und zur geruchsbezogenen Tierlebendmasse weisen unterschiedlich hohe Bestimmtheitsmaße auf.
Konsequenzen für die Praxis

Die Ergebnisse der Fahnenbegehungen lassen sich in den folgenden Punkten zusammenfassen:

  • Auf der Ebene der ermittelten Geruchsschwellenabstände werden die von der VDI Richtlinie 3473 abgeleiteten Mindestabstände um ca. 37 % unterschritten. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit einer Überarbeitung.
  • Die Beziehung zwischen Geruchsschwellenabstand und Tierlebendmasse ist enger als zur geruchsbezogenen Tierlebendmasse; eine Überarbeitung der Geruchsäquivalenzfaktoren der VDI-Richtlinie 3473 ist notwendig.
  • Die in der VDI-Richtlinie 3473 angewendete Kurvenform kann auch im Bereich der Bagatellgrenze Anwendung finden, wenn auch auf einem wesentlich niedrigeren Niveau.

Darüber hinaus wird empfohlen eine Klärung bzgl. des Begriffs der Geruchs- bzw. Erkennungsschwelle vorzunehmen. Auch hat sich bei den Begehungen gezeigt, daß das in der VDI 3473 angewendete Punktesystem für die notwendige Differenzierung der Formen der Rinderhaltung nicht ausreicht.

Literatur:
Abschlußbericht 1996

Fördernde Institution:MLR

Förderkennzeichen:  27 - 95 . 2


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