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Agrarforschung
Gesamtwirtschaftliche und agrarpolitische Einordnung der Verbrennung von Biomasse - exemplarisch analysiert für die konzeptierte Anlage zur thermischen Verwertung von Festbrennstoffen in Kehl     

FIB - Forschungs-, Industrie- und Umweltberatungsgesellschaft mbH, Velbert
W. Großkopf, K.-H. Kappelmann, R. Mohn und C. Rösch                                
August 1996

Problemstellung

In dem Raiffeisenkraftfutterwerk (RKW) Kehl GmbH & Co. KG war bzw. ist geplant, das gasbetriebene Heizwerk zur Erzeugung von Prozeßwärme durch eine Biomasseanlage mit etwa 2 Megawatt (MW), in der feste Biomasse verbrannt werden soll, zu ersetzen. Die Machbarkeitsstudie zu der Biomasseanlage Kehl wurde 1995 vorgelegt. Als aussichtsreichste Biomassebrennstoffe wurden Stroh, Triticale und Pflegeheu aus der Landschaftspflege und dem Gewässerschutz untersucht. In einer Zusatzbetrachtung wurde ein überwiegender Einsatz von Pflegeheu als Brennstoff detailliert betrachtet. Im vorliegenden Forschungsvorhaben wurde am Beispiel Kehl untersucht, wie die in der Machbarkeitsstudie konzeptierte Verbrennung von Biomasse in gesamtwirtschaftlicher, agrarpolitischer und umweltpolitischer Hinsicht zu bewerten ist. Das RKW eignet sich aus verschiedenen Gründen besonders gut für den Einsatz von Biomasse. Es besteht ein kontinuierlicher Dampfbedarf für eine zentrale Wärmenutzung zur Futtermitteltrockung. Die Auslastung ist relativ gleichbleibend und weist geringe saisonale Schwankungen auf.

Ziel

Mit der Studie sollen neben der regionalen Verfügbarkeit der landwirtschaftlichen Biomassen auch die Auswirkungen auf die Wertschöpfung und die Beschäftigungseffekte einer Biomasseanlage am Standort Kehl untersucht werden. Die Umweltwirkungen sind zu beurteilen und die agrarpolitische sowie gesamtwirtschaftliche Einordnung des Vorhabens soll erfolgen.

Untersuchungsmethode

Aufbauend auf einer Analyse der landwirtschaftlichen Struktur im Bereich der Ämter für Landwirtschaft Bühl und Offenburg wird für die relevanten Biomassen Triticaleganzpflanzen und Stroh bzw. Grüngut aus der Landschafts- und Gewässerpflege das Rohstoffangebot errechnet. Kalkulatorisch werden die Auswirkungen des Biomasseverbrauches auf die Wertschöpfung und die Beschäftigung in der Landwirtschaft sowie das notwendige Fördervolumen ermittelt. Die Organisation einer möglichen Versorgung des Heizwerkes Kehl durch die Landwirtschaft wird diskutiert. Als Alternativen werden auch die stationäre bzw. mobile Pelletierung bewertet. Abschließend werden die Umwelteffekte abgeschätzt sowie eine agrarpolitische und gesamtwirtschaftliche Einordnung der Biomasseverbrennung am Standort Kehl vorgenommen.

Ergebnis

Das Ergebnis der Untersuchungen läßt sich wie folgt zusammenfassen:

Aus agrarpolitischen Überlegungen ist eine Förderung der Biomasseanlage RKW Kehl nicht gerechtfertigt. Der Anbau von Triticale auf Stillegungsflächen bedeutet im geplanten Umfang von ca. 330 ha eine geringfügige Wertschöpfung für die Landwirtschaft (ca. 235.000 DM) bei einem etwa über doppelt so hohen Subventionsbedarf (571.500 DM/Jahr). Der Anbau von Triticale ist aus einkommenspolitischer Sicht nicht sinnvoll. Bei Stroh bzw. Pflegeheu aus Landschaftspflege und Gewässerschutz ist der Einkommensbeitrag für Arbeit, Boden und Kapital der Landwirte noch ungünstiger.

Die gesamtwirtschaftliche Beurteilung wird dadurch beeinflußt, daß ein bestehendes Gasheizwerk bei voller Funktion und Kapazität ersetzt werden muß. Dadurch muß sich eine neue Biomasseanlage an den eingesparten variablen Kosten von 35 DM/MWh messen. Zusätzlich ergibt sich eine vergleichsweise hohe Fixkostenbelastung der Anlage, da mit 2 MW Größeneffekte nicht genutzt werden können. Gesamtwirtschaftlich ist der Aufwand dann gerechtfertigt, wenn umweltpolitische Vorteile der Substitution von Gas durch Biomasse im Vordergrund stehen.

Aus umweltpolitischer Sicht bedeutet der Einsatz von Biomasse eine CO 2 -Minderung, die aus Gründen des Klimaschutzes weltweit gefordert ist. Dabei ist der Einsatz bei möglichst geringen Kosten, günstigerweise in CO 2 -Minderungskosten ausgedrückt, zu bewerten. Die CO 2 -Minderungskosten bei Stroh und Pflegeheu liegen bei ca. 70, bei Triticale bei ca. 170 DM/t CO 2 . Sie liegen über den in der EU derzeit diskutierten CO 2 -Steuern. Umweltpolitisch ist weiter zu beachten, daß im RKW Kehl der fossile Brennstoff Gas mit sehr gutem Abgasverhalten substituiert wird. Es ist fraglich, ob diese Werte bei der Verbrennung von Biomasse eingehalten werden können. Es dürfen bei Biomasse außer der CO 2 -Einsparung deswegen keine weiteren Effekte in Bezug auf Luftschadstoffe berücksichtigt werden. Die thermische Verwertung von Pflegematerial ist umweltpolitisch eine sinnvolle Alternative zur Kompostierung. Es entlastet einerseits die Kommunen kostenmäßig und bedeutet die Nutzung des um das Kraftwerk herum vorhandenen großen Potentials an Grüngut aus Landschaftspflege und Gewässerschutz zur CO 2 -Minderung.

Konsequenzen für die Praxis

Das Projekt einer geplanten Biomasseanlage im RKW Kehl ist unter folgenden Gesichtspunkten weiter zu verfolgen:

Entwicklung neuer Formen der Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Agrarhandel im Bereich nachwachsende Rohstoffe.

Einsatz von Stroh und Pflegerückständen als Brennstoff. Diese Forderung ist vor dem Hintergrund der finanz- und umweltpolitischen Vorteilhaftigkeit gegenüber dem Anbau von Triticale auf stillgelegten Flächen zu sehen. Die landwirtschaftlichen Interessen der Einkommens- und Beschäftigungswirkungen treten damit in den Hintergrund.

Einsatz einer stationären Pelletieranlage in Form eines Pilotvorhabens. Trotz der damit verbundenen höheren Kosten sind die Voraussetzungen hierfür in Kehl aufgrund der vorhandenen Kapazitäten als günstig einzustufen.

Einbeziehung der Kommunen in das Pilotvorhaben "Thermische Verwertung von Pflegerückständen" als kostengünstige und umweltfreundliche Alternative zur Kompostierung.

Literatur: Abschlußbericht als Kurzzusammenfassung

Fördernde Institution: MLR

Förderkennzeichen: ohne




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