Navigation überspringen

Mittagsmahlzeit als Bildungschance

4 Schulkinder essen fröhlich in der Schulmensa

Lehrkräfte, die mit ihren Schülerinnen und Schülern gemeinsam zu Mittag essen: Dieses Bild ist noch eher ungewöhnlich in deutschen Ganztagsschulen. Dabei zeigt eine Studie, dass die gemeinschaftliche Essenssituation vielfältige pädagogische Potenziale birgt.

Pädagoginnen und Pädagogen als Ernährungsvorbilder in der Kita

In Krippen und Kitas ist das zumeist selbstverständlich: Erzieherinnen und Erzieher sitzen mittags mit am Tisch und essen gemeinsam mit den Kindern. Ihnen kommt dabei eine wichtige pädagogische Aufgabe zu: Sie schaffen eine entspannte Essenssituation, unterstützen die Kinder wo nötig, regen die Kommunikation an und vermitteln durch ihr positives Vorbild eine gute Esskultur und ein gesundheitsförderndes Ernährungsverhalten.

Weit verbreitet: reine Beaufsichtigung

In Schulen, die heute oft ebenfalls eine gemeinschaftliche Mittagsverpflegung anbieten, scheint der Bildungsaspekt am Mittagstisch dagegen in den Hintergrund zu treten. Die Studie „Rolle von Lehrkräften als Begleitung der schulischen Mittagsmahlzeit in der Sekundarstufe 1“ der Pädagogischen Hochschule Freiburg legt das nahe. Die Autorinnen und Autoren schreiben, dass es vielfach Betreuungskräfte oder Ehrenamtliche seien, die das Essen beaufsichtigten. Bei den jüngeren Kindern wendeten sie dabei oft „rigide disziplinarische Maßnahmen“ an, während die Älteren zumeist sich selbst überlassen blieben. Das Bildungspotenzial, das das gemeinsame Essen berge, bliebe ungenutzt.

Essensbegleitung: Lehrkräfte erfüllen wichtige Aufgaben

In manchen Einrichtungen begleiten jedoch Lehrerinnen und Lehrer das Mittagsmahl der Schülerinnen und Schüler und essen selbst mit. Aus den in der Studie geführten Gesprächen mit Schulträgern, Schulleitungen, Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern ergaben sich sieben wichtige Funktionen, die sie dabei übernehmen:

  • Beziehungen aufbauen
  • Esskultur vermitteln
  • Über bedarfsgerechte Ernährung sprechen
  • Die Einhaltung von Regeln sicherstellen
  • Zwischen Schülerinnen und Schülern und schulfremdem Personal vermitteln
  • Reibungslose Abläufe gewährleisten
  • Mensa-Themen mit dem Unterricht vernetzen

Chancen und Herausforderungen

Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler begegnen sich beim Mittagessen informell und nehmen diese Chance wahr, um sich zu unterrichtsfremden Themen auszutauschen und Beziehung zu festigen. Oft achten die Lehrkräfte dabei sehr sensibel darauf, nicht in die Privatsphäre der Kinder und Jugendlichen einzudringen, indem sie zum Beispiel von offensiven Fragen zu Essensauswahl und Ernährungsgewohnheiten absehen. Das bedeutet für die Lehrkräfte oft eine Gradwanderung. Denn obwohl sie in dieser Situation keinen pädagogischen Auftrag besitzen, müssen sie doch professionell agieren. Die oben aufgelisteten Funktionen, die ihnen zufallen, machen das sehr deutlich. Dadurch „verschwimmen die Grenzen zwischen Alltagshandeln und professionellem Handeln“, kritisieren die Studienautorinnen und Studienautoren und fordern einen klareren Auftrag für die Lehrkräfte. Schulen könnten zudem Leitbilder oder Konzepte für das gemeinsame Essen entwickeln, um die pädagogische Bedeutung der Essenssituation besser herauszuarbeiten und wahrzunehmen.

Von guten Erfahrungen in Kitas lernen

In ihrem Beitrag „Verknüpfung von Ernährungsbildung und Verpflegung im Schulalltag“ in der Publikation „Optimierung der Verpflegung in Kita und Schule“ des Landeszentrums für Ernährung Baden-Württemberg weist Stefanie Burger darauf hin, dass es aus rechtlichen Gründen im Südwesten bislang nicht zulässig sei, Lehrkräfte in die Betreuung und Beaufsichtigung der Mittagsmahlzeiten zu integrieren. Diese Situation gelte es zu überdenken. Denn das gemeinsame Mittagsessen stellt eine hervorragende informelle Bildungssituation dar. Wie sie sich optimal pädagogisch nutzen lässt, zeigen viele Kitas: Fachkräfte, die dort mit den Kindern essen, nehmen dabei eine wichtige Vorbildfunktion ein. Sie vermitteln Freude am Essen, wecken Neugier auf neue Speisen und Geschmacks­erlebnisse, machen Tischsitten und Esskultur erlebbar, fördern Gemeinschaft und thematisieren einfühlsam die Zusammenhänge zwischen Ernährung, Gesundheit und dem Umgang mit dem eigenen Körper. Fachleute wünschen sich, dass Grundschulen künftig vermehrt an diese Praxis anknüpfen können.

Autorin: Eike Ostendorf-Servissoglou


Quellen:

Wo 05/2021

Informationen zum Datenschutz und zum Einsatz von Cookies auf dieser Seite finden Sie in unserer Datenschutzerklärung