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Überlegungen zu den technischen Anforderungen an eine Baumschnittmaschine für den Einsatz im Obstbau

Dr. Franz Rueß
LVWO Weinsberg
 
Die LVWO Weinsberg beschäftigt sich seit dem Frühjahr 2010 ebenso wie viele andere Versuchsanstalten mit dem mechanischen Schnitt von Obstbäumen. Anlässlich einer Lehrfahrt im Rahmen der Ausbildung zum Gärtnermeister Fachrichtung Obstbau nach Frankreich waren wir im Elsass auf das Thema aufmerksam geworden und konnten Kontakte zu französischen Versuchsanstellern knüpfen, die sich bereits seit vielen Jahren mit diesem Thema beschäftigen. Im Sommer desselben Jahres besuchten wir dann eine Maschinenvorführung im Elsass, wo sowohl Schnittmaschinen mit Kreiselrotoren (gezähnte Sägeblätter und Klingenausführung) als auch eine Maschine mit einem Messerbalkensystem vorgeführt wurden.

Bei den Maschinenvorführungen wurden die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Schnitttechniken schnell ersichtlich (siehe Tabelle 1)
 

Tabelle 1: Vor- und Nachteile verschiedener Schnitttechniken

Schnitttechnik /
GeräteTyp

Vorteile

Nachteile

Rotor mit 2 angelinkten Schnittmessern
(System Laubschneider im Weinbau)

-       Hohe Schlagkraft
-       Bekannte Technik (Laubschneider)
-       Einfach zu warten / reparieren

-       Arbeitssicherheit (herumfliegende Äste und Früchte)
-       Angeschlagene Früchte
-       Biegsame Äste werden angeschlagen aber nicht abgeschnitten 
        = starkeVerletzung,
        Eintrittspforte für Blutläuse
-       Fruchtverletzungen durch herumfliegende Teile

Rotor mit Kreissägeblättern

-       Sehr hohe Schlagkraft
-       Auch sehr dicke Äste werden sauber
        durchtrennt
-       Sehr robuste und sicherlich langlebige
        Technik

-       Arbeitssicherheit (herumfliegende Äste, Früchte und Holzteile)
-       Biegsame Äste werden regelrecht geschält = starke Verletzung 
        und Eintrittspforte
        für Blutlausbefall
-       Beschädigte Früchte durch herumfliegende Teile

Messerbalken mit Doppelmesser

-       Sehr sauberes Schnittbild, keine ausgefransten Zweige
-       Deutlich weniger beschädigte Früchte
-       Keine herumfliegenden Äste, Holzteile oder Früchte

-       Schlagkraft geringer
-       Dicke Äste führen zur Verstopfung oder Beschädigung der Maschine
-       Doppelmesser für stärkeres Holz zu schwach


Bei allen Maschinen gleich problematisch war das Umfahren der Hagelnetzstangen mit dem oberen horizontalen Schnittbalken, sowie das Verbleiben von abgeschnittenen Ästen und Zweigen im Kopfbereich des Baumes.
 
Wieder zuhause in Weinsberg starteten wir einen ersten Tastversuch mit einem Doppelmesserbalken, den wir bis dato zum Schnitt von schwarzen Johannisbeeren eingesetzt hatten. Auch hier zeigte sich, dass der Messerbalken zwar sauber arbeitet, dass aber die vorhandene Technik für den Schnitt von Obstbäumen unterdimensioniert war.
 
Da wir unserer Ansicht nach bisher kein geeignetes Gerät gesehen hatten, entschlossen wir uns ein solches Gerät nach unseren Vorstellungen bauen zu lassen. Folgende Geräteanforderungen sollten als Grundvoraussetzungen erfüllt werden:

-       Robuster Messerschnitt, kein kreisendes Gerät

-       Verstellbar und so variabel wie möglich (siehe Abbildung 2)

-       In mehreren Kulturen einsetzbar (Apfel, Birne, Süßkirsche, Zwetschge, Haselnuss)

-       Die Einzelkomponenten sollten auch separat zu gebrauchen sein

-       Frontanbau am Schlepper

 
In der Firma Fischer Maschinenbau GmbH aus Gemmrigheim am Neckar fanden wir einen kompetenten Partner, der über langjährige Erfahrungen in der Schnitttechnik von Hecken im kommunalen Bereich verfügt. Zudem befindet sich dieses Unternehmen in räumliche Nähe zur LVWO Weinsberg, was bei der Entwicklung des Prototyps von großem Vorteil war. Durch kurze Wege konnten technische Details ebenso schnell vor Ort geklärt werden, wie der Einsatz der Maschine in der Versuchsanlage möglich war.

Abbildung 2: Technische Anforderungen an eine Schnittmaschine für den Einsatz im Obstbau

 
Wie aus Abbildung 2 ersichtlich, sollte der vertikale Messerbalken 2 - 2,5 Meter hoch und in beide Richtungen neigbar sein. Der Neigungswinkel ist zum einen zur Einstellung der Fruchtmauer beim Einsatz im Apfelanbau nötig (Situation A), zum anderen für den Unterschnitt bei der Straucherziehung der schwarzen Johannisbeere (Situation B). Die Distanz zum Stamm bzw. Strauch regelt der Fahrer über den Abstand des Schleppers zum Gehölz, wie er das von anderen Geräten wie z.B. bei der Bodenbearbeitung oder dem Stockräumer gewohnt ist.
 
Für die Höhenbegrenzung der Fruchtmauer beim Apfel sollte das horizontale Messer sowohl in seiner Arbeitshöhe beliebig verstellbar sein (Situation C), als auch in seinem Neigungswinkel bis zu 90 Grad drehbar sein (Situation E). Der verstellbare Neigungswinkel dient ebenso wie das angeschraubte Räumblech dazu, dass abgeschnittene Zweige nicht in den Baum hineinfallen, sondern außerhalb der Baumkrone zu Boden gehen. Die Kombination beider Messer zu einem einzigen vertikalen Strang ist für hohe Baumformen gedacht. Allerdings ist hier dann für die Höhenbegrenzung ein zweiter Arbeitsgang erforderlich.
 
Die schwierigste Arbeitssituation ergibt sich für den horizontalen Messerbalken, wenn er Gerüststangen wie z.B. bei Hagelnetzen ausweichen muss (Situation D). Hierbei wurde bewusst auf den Einsatz eines Tastarmes zur automatischen Ausrückung, wie er z.B. bei Mulchgeräten verwendet wird, verzichtet. Ein Tastarm kann nicht zwischen dicken Ästen und einem Gerüstpfahl unterscheiden. Das ist Aufgabe des Schlepperfahrers, der von seiner Kabine aus  den Einsatz des horizontalen Balkens manuell steuern muss.
 
Die Messerbalken der Firma Fischer werden bereits seit vielen Jahren im kommunalen Heckenschnitt (z.B. straßenbegleitendes Grün) verwendet. Sie stammen ursprünglich aus dem Einsatzbereich bei Mähdreschern. Es handelt sich nur um ein Messer, welches zwischen zwei Fingern hin  und her bewegt wird (siehe Abbildung 3). Die Klingen sind nicht genietet, sondern geschraubt, was Reparaturen im Feld wesentlich erleichtert. Auf die Spitze des längeren Fingers ist eine Rundung aufgeschweißt, die dafür sorgt, dass Zweige oder Äste nicht aufgespießt, sondern zur Seite und damit dem Messer zugeführt werden. Die Messerklingen sind gezähnt und haben dadurch und mit den zwei Fingern zusammen den nötigen “Biss“ die zugeführten Äste festzuhalten und sauber zu durchtrennen. Der Antrieb des Messers erfolgt über einen Ölmotor, der an verschiedene Stellen des Messers plaziert werden kann. Es können problemlos Äste bis zu einer Schnittdicke von 3 cm durchtrennt werden.


Abbildung 3: Jeweils ein Messer beweg sich zwischen zwei Fingern hin und her


Als Trägersystem und zur Höhenverstellung kommt ein einfacher Gabelstapler-Vorbau zum Einsatz, an welchem zum einen die Trapezwippe zum Ausweichen von Gerüststangen und zum anderen der Hydraulikzylinder für die Verstellung des Neigungswinkels des horizontalen Messers befestigt sind. Die einzelnen Komponenten können auch separat voneinander genutzt werden (z.B. nur Einsatz des vertikalen Messers). Dazu wird einfach der nicht benötigte Teil abgebaut.
 

Abbildung 4: Prototyp der Baumschnittmaschine BSF der Firma Fischer
 
Der noch etwas klobig anmutende Prototyp der LVWO Weinsberg (Abbildung 4) wurde in der Folgeversion deutlich kompakter und vor allem dichter an den Schlepper angebaut. Die Bezeichnung der Serienversion lautet mittlerweile BSF (BaumSchnittmaschine Fischer). Durch ein Baukastensystem ist die Ausstattung beliebig verkleinerbar (z.B. nur Vertikalmesser) oder es können auch Baukomponenten mit eingebracht werden, die sich bereits auf den Betrieben befinden (z.B. Gabelstapler im Schlepperanbau). Dadurch ist für jeden Betrieb eine individuelle und seiner Kostenstruktur entsprechende Lösung möglich.
 

Bild1: Starker Blutlausbefall in mechanisch geschnittenen Apfelanlagen

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