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Systemisch - kurativ - vorbeugend

Wann wirkt welches Mittel besser gegen Peronospora

Dr. W. K. Kast
LVWO Weinsberg

Peronospora 2005

Im Jahr 2005 kam es in vielen Fällen zu einer unerwarteten Ausbreitung. Nicht selten werden die Eigenschaften der Mittel falsch eingeschätzt und sie zu einem Zeitpunkt verwendet, an dem ihre spezifischen Vorteile nicht zum Tragen kommen können.  Entscheidend für einen optimalen Einsatz sind die Wirkungseigenschaften vorbeugend, systemisch sowie kurativ. Von diesen Eigenschaften hängt die Einsatzstrategie ab.

 

Begriffe und ihre Bedeutung:

Systemisch bedeutet: "Transport oder Verteilung in der ganzen Pflanze“. Nur ein im Weinbau derzeit zugelassenes Mittel wirkt systemisch (Ridomil Gold Combi, Wirkstoff Metalaxyl‑M). Systemisch ist auch die Nebenwirkung von Blattdüngern, die Phosphorige Säure enthalten (z. B. Basfoliar Aktiv, Lebosol Magnesium Plus, Phosfik, Nutri-Phyte). Der Vorteil der systemischen Mittel besteht darin, dass der Zuwachs durch die Verlagerung von Wirkstoff aus den vorhandenen Blättern nach der Behandlung mit geschützt wird. Dieser Effekt ist von größter Bedeutung bis kurz nach der Rebblüte, da in dieser Phase der Neuzuwachs im Verhältnis zur vorhandenen, behandelten Blattfläche extrem rasch nach der Spritzung zunimmt. Bereits 2 ‑ 3 Tage nach der Behandlung , die im Jahre 2005 in vielen Betrieben im 4-5-Blatt-Stadium durchgeführt wurde, war die Blattfläche verdoppelt. Die Wirkung der Behandlung war dadurch auf unter 50 % abgesunken.

Der Begriff systemisch wird vielfach falsch und verwirrend verwendet. Zur Begriffsverwirrung beigetragen haben aus Marketinggründen gerne verwendete, in sich widersprüchliche Attribute wie teilsystemisch und lokalsystemisch. Eine solche Begriffskombination ist vergleichbar mit "teil-weltweit“ für "innerhalb Deutschland“ oder "lokal-weltweit“ für "innerhalb Württemberg“.

 

Kurativ bedeutet, dass der Peronosporaerreger nach einer erfolgreichen Infektion im Inneren des Blattes abgetötet wird, die Infektion also wieder geheilt wird. Die kurative Wirkung aller Wirkstoffe nimmt mit zeitlichem Abstand zum Infektionstermin drastisch ab. Ein nennenswerter Effekt ist bis maximal 48 Stunden nach der Infektion erreichbar. Die kurative Wirkung bei Gescheinen und Trauben ist deutlich geringer.

Kurative Wirkstoffe enthalten die Mittel Aktuan und Equiation Pro (Cymoxamil), Cabrio Top (Pyraclostrobin), Forum und Forum Star (Dimethomorph), Melody Combi (Iprovalicarb),  Ridomil Gold Combi (Metalaxyl) und die in den oben erwähnten Blattdüngern enthaltene Phosphorige Säure. Diese Mittel bieten entscheidende Vorteile in den Phasen des starken Wachstums bis kurz nach der Blüte. Da ein vorbeugender Schutz in dieser Phase nur kurzzeitig voll wirksam ist, können Lücken durch gezielten Einsatz kurativer Mittel nach Infektionen geschlossen werden. Dies setzt voraus, dass die entscheidenden Infektionstermine sicher erkannt werden. In der Regel sind dies Perioden mit nächtlichen Niederschlägen (beginnend vor 02.00 Uhr) bei hohen Temperaturen, die zu starken Ausbrüchen führen und weiteren Regenfällen an den folgenden Tagen oder generell mehrere Tage mit anhaltenden Regenfällen im Mai und Juni, die bodenbürtige Infektionen auslösen. Gute Dienste für das Erkennen relevanter Infektionen leisten die vorhandenen Prognosesysteme. Allerdings sollte die Datenauswertung für die kurativen Behandlungen sehr aktuell sein.

Sehr einfach sind vielfach kurativ bekämpfbare Neuinfektionen sicher auszuschließen. Dies ist immer dann der Fall, wenn in den letzten beiden Tagen kein Regen gefallen ist. In diesem Fall ist der Einsatz eines kurativen Mittels nicht sinnvoll. Wirksam ist in diesem Fall nur der vorbeugend wirkende (Kontakt-) Anteil des Mittels. Durch Spritzungen auf sichtbare Ölflecken ohne neue Infektionen werden überflüssige Beiträge zur Entwicklung von Resistenzen geleistet, ohne dass ein Nutzen für die Bekämpfung erzielt wurde.

Da der Erreger bei einer kurativen Maßnahme bereits im Blatt sitzt, muss jedes Pflanzenteil gut getroffen werden. Eine gute, kurative Wirkung erfordert deshalb eine optimale Applikationstechnik.

 

Vorbeugend wirksame Mittel werden auch als "Kontaktmittel“ oder protektive Mittel bezeichnet. Alle systemischen und kurativen Mittel wirken gleichzeitig auch protektiv. Die Wirkung der protektiven Mittel bzw. Wirkstoffe richtet sich ausschließlich gegen die Schwärmsporen des Pilzes, bewegliche Sporen, die im Wasser schwimmend  aktiv nach Spaltöffnungen suchen. Die Wirkung findet deshalb ausschließlich im Zusammenhang mit Regenfällen oder starkem Tau statt. Dabei gibt es je nach Wirkstoff eine mehr oder weniger ausgeprägte Sekundärverlagerung des Wirkstoffs mit dem abtropfenden Wasser. Die Ansprüche an die Applikationstechnik sind deutlich geringer als bei kurativen Wrikstoffen.

Begrenzender Faktor für die Wirkungsdauer der vorbeugenden Mittel ist nicht der Abbau des Wirkstoffs, sondern der ungeschützte Neuzuwachs nach der Spritzung. Optimal platziert werden solche Mittel möglichst kurz vor einer prognostizierten Regenperiode oder bei Gefahr nächtlicher Gewitter. Eine Verlängerung des Spritzabstandes, das Hinauszögern des Spritztermins führt in den  Fällen zu einer deutlich besseren Wirkung, in denen es in den Tagen nach der Spritzung keine Niederschläge gibt. Vorbeugende Mittel einzusetzen, wenn für die folgenden Tage anhaltend trockene Witterung prognostiziert ist, bedeutet, dass häufig die folgende Infektion unzureichend abgedeckt ist.

Weitere, häufig in Werbeprospekten auftauchende Eigenschaften sind antisporulierend und tiefenwirksam. Tiefenwirksam sind alle kurativen Mittel, da der Wirkstoff in die Pflanze eindringen muss, um dort gegen den Pilz wirken zu können.

Antisporulierend ist eine Nebenwirkung der kurativen Wirkstoffe. Sie sind zwar nicht in der Lage, den Pilz abzutöten, er wird jedoch durch die Spritzung in seiner Entwicklung gehemmt, die Ölflecken werden  auf der Blattunterseite nicht weiß. Es finden einige Tage keine neuen Ausbrüche statt. Dieser Effekt hält allerdings nur wenige Tage an, so lange der Wirkstoff in hohen Konzentrationen in der Pflanze vorhanden ist. In der Phase in der die antisporulierenden Wirkung optimal ist, kurz nach der Spritzung, ist jedoch die Wirkung der vorbeugenden Wirkstoffe ebenfalls noch optimal. Die entstehenden Schwärmsporen werden alleine vom protektiv wirksamen Teil dieses Wirkstoffs sicher abgetötet.

 

 

Einsatzregeln für die Mittelgruppen:

Systemisch:

Vorteile bei raschem Wachstum bis Ende der Rebblüte.

Kurativ:

Nur sinnvoll, wenn Infektionen in den letzten beiden Tagen möglich waren, zumindest Regen fiel (Wetterdaten und Kenntnisse der Erregerbiologie anwenden, gegebenenfalls schnell handeln!).

Vorbeugend:  

Möglichst kurz vor prognostizierter Regenperiode (Wetterverlauf und Prognosen konsequent verfolgen, überlegt handeln, planen).

  

      

Massiver Gescheinsbefall vor Ausbruch der Sporangien

Abbildung 1: Massiver Gescheinsbefall in Juni, die Besonderheit des Jahres 2005 (vor Ausbruch der Sporangien)



Massiver Gescheinsbefall nach Ausbruch der Sporangien

Abbildung 2: Massiver Gescheinsbefall in Juni, die Besonderheit des Jahres 2005 (nach Ausbruch der Sporangien)

 

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