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Sorten- und Unterlagenwahl - Neuorientierung notwendig?

 

R. Fox

LVWO Weinsberg*

 

Mit der Sorten- und Unterlagenwahl werden für die gesamte Standzeit von 25 - 30 Jahren grundlegende Weichen mit weitreichenden Folgen gestellt. Entsprechend sorgfältig sollten diese Entscheidungen vorbereitet und abgewogen werden. Der Klimawandel mit ausgeprägteren Hitze- und Trocken-, aber auch Feuchtephasen, die frühere und höhere Reife, wie auch die höhere Fäulnisgefahr machen die Entscheidungen nicht leichter. Hinzu kommen vielerorts veränderte Ertrags- und Qualitätserwartungen. Nebenbei sei noch angeführt, dass bei der Sorten- und Unterlagenwahl gleichermaßen rechtliche Regelungen bezüglich  der Klassifizierung beachtet werden müssen.

 


An der Herbstverfärbung sind die Sorten besonders gut zu erkennen

 


Sortenwahl

An erster Stelle steht in der Regel die Frage nach den Marktchancen und damit eng verbunden der Rentabilitätssicherung. Im Hinblick auf besonders sortentypische Weine, bei möglichst später Lese und gesundem Lesegut, kommt in heutiger Zeit zusätzlich der Klonenwahl eine wachsende Bedeutung zu. So dürfte nahezu bei allen Sorten - soweit vorhanden - lockerbeerigen Klonen der Vorzug einzuräumen sein. Die positiven Erfahrungen der vergangenen Jahre im Hinblick auf Gesundheit und mögliche spätere Lesetermine sprechen hier für sich. Besonders bei Sorten mit kompakten Trauben sind deshalb lockerbeerige Klone eindeutig vorzuziehen, selbst wenn andere kleine Nachteile in Kauf genommen werden müssten. Ob der Trend in Richtung Rotwein anhält oder Standardsorten, wie der Weißburgunder, zukünftig größere Nachfrage erfahren, ist ebenso offen wie der Wandel hin zu Sorten wie Merlot, Cabernet Sauvignon oder gar Syrah.

Die bei uns nicht überall positiven Erfahrungen mit der "Weltsorte" Chardonnay sollten in dieser Hinsicht als deutlicher Fingerzeig gewertet werden. Inwieweit jeder Betrieb mit der derzeitigen Modesorte Sauvignon blanc, in Verbindung mit deren "hohen kellerwirtschaftlichen Ansprüchen", am Markt auf Dauer erfolgreich sein wird, muss ebenso offen bleiben. Zumindest der großflächige Anbau von Trendsorten birgt die Gefahr in sich, irgendwann einmal 'out' zu sein. Die Beschränkung auf kleinere Anteile, besonders bei Sorten mit ausgeprägtem Aroma und somit weniger guten Cuvéeeigenschaften, beugt dagegen möglichen wirtschaftlichen Verlusten vor.

 

        

Links: Kompakte, hochreife Traube des Sauvignon blanc; rechts: Typischer Sauvignon blanc mit rotbraunem Holz

 

 

Es spricht dagegen viel dafür überwiegend auf die regionalen Standardsorten zu setzen, um hochwertige, authentische, sortentypische und damit nicht austauschbare Weine zu erzeugen. Dieses Alleinstellungsmerkmal ist am "point of sale" ein wichtiges Entscheidungskriterium, eben genau dieses Produkt, zu diesem Preis, auszuwählen. Wer hingegen einen Chardonnay anbietet, muss sich mit Weinen aus allen Regionen der Welt vergleichen lassen und wird zwangsläufig unter größerem Marktdruck stehen. Infolge der derzeitigen extremen Ausweitung der Anbaufläche in Deutschland ist zu befürchten, dass gleiches in einigen Jahren für Sauvignon blanc eintrifft.

 



Nachdem ein gleichmäßiger Umtrieb eine permanente Sortenanpassung ermöglicht, sind verschobene Sortenänderungen kaum problematisch, wohl aber falsche Entscheidungen. So scheint vor dem Hintergrund des Nachfragewandels zumindest derzeit eine leichte Tendenz weg vom Trollinger, hin zu kräftigeren Rotweintypen keine falsche Entscheidung zu sein. Das Alleinstellungsmerkmal des leichten, herzhaften Trollingertyps darf dabei jedoch nicht außer Acht gelassen, sondern muss für den Verbraucher noch attraktiver als seither gestaltet werden. Schlicht bedeutet dies, dass, ebenso wie bei allen anderen Sorten, atypische, schlechte Weine keinerlei Berechtigung am Markt haben. Infolge der derzeitigen extremen Ausweitung der Anbaufläche in Deutschland ist zu befürchten, dass dasselbe in einigen Jahren für Sauvignon blanc gültig ist.

Kann durch Anpflanzung anspruchsvollerer Sorten in den besten Lagen - in Württemberg sind dies meist Trollingerlagen - hingegen über entsprechend höhere Preise eine verbesserte Wirtschaftlichkeit erzielt werden, ist dies im Sinne des Marktes wie auch des Produzenten sinnvoll. Inwieweit einzelbetrieblich bereits über die Sortenwahl ein spezieller Akzent gesetzt werden sollte, um sich gezielt am Markt zu positionieren, hängt vom Einzelfall ab. Denkbar wäre zum Beispiel die verstärkte Anpflanzung ausgesprochener, roter Qualitätssorten mit dem Ziel, besonders gut geeignete Cuvéepartner für hochwertige Premiumweine zu erzeugen. Die Realisierung entsprechend höherer Preise dürfte dabei bei Selbstvermarktern, mit ihrer vielfach besonderen Bindung zum Kunden, eher möglich sein als bei Erzeugergemeinschaften. Diese sind dennoch ebenso gefordert Produkte zu erzeugen, die am Markt erfolgreich sind und eine möglichst hohe Wertschöpfung ermöglichen. Dies fängt auch hier bereits mit der Sortenwahl an.

Vor allem bei aromabetonten Sorten sollten die natürlichen Gegebenheiten von Boden und Kleinklima geeignet sein, eine hohe Aromareife bei möglichst spätem Lesetermin zu erzielen. Für Sauvignon blanc sind frostfreie, eher obere Lagen mit leichteren Böden und guter Abtrocknung prädestiniert. Was die Aromatik angeht, kommt der Klonenwahl hier eine besondere Bedeutung zu.

In den Übersichten 1 und 2 sind die wichtigsten Kriterien bezüglich der Sortenwahl zusammengefasst.

 

Übersicht 1: Worauf ist bei der Sortenwahl zu achten?

Aktuelle und künftige Verwertbarkeit/Chancen am Markt (Image für Region, Betrieb, Positionierung am Markt, Nischenprodukt)

Ist eine besonders sortentypische Ausprägung des späteren Weines in dieser Lage zu erwarten? Bestmögliche Nutzung des spezifischen Terroirs. Wechsel zu anspruchsvolleren Sorten?

 

Werden Ansprüche an die Vegetationsdauer erfüllt? (möglichst nicht übererfüllt = zu frühe Reife und gegebenenfalls Fäulnis vor physiologischer Reife)

Kommt die Sorte mit den Stärken und Schwächen meines Standortes besonders gut zurecht? (Durch welche Maßnahmen lassen sich diese Stärken ausbauen sowie die Schwächen vermindern?)

Ökologische Streubreite, Anpassung an Boden und Kleinklima, Wasserhaushalt.(Trollinger ist besonders wasserbedürftig. Spätburgunder besonders trockenfest) Mögliche Folgen des Klimawandels einkalkulieren.

Spezifische Krankheits,- Chlorose,- Stiellähme- und Frostanfälligkeit. Botrytisanfälligkeit/Festigkeit (lockerbeerige Klone)

Arbeitswirtschaftliche Vor- und Nachteile, Laubarbeiten (Kerner), Lesetermin (Acolon), Rebschnitt

Eignung für besondere Erziehungsarten wie z. Bsp. Minimalschnitt oder Vertikoerziehung



 

 

 

Übersicht 2: Lagebedingte Kriterien für die Sortenwahl

 

 

    

 

 

 

 

Unterlagenwahl

 

Bei der Unterlagenwahl steht eine gute Anpassung/Eignung für den gegebenen Standort/Boden an oberster Stelle. Kalkgehalt, Bodenart bzw. Lagerungsdichte geben dabei die Richtung vor. Daneben kommt unter den heutigen Bewirtschaftungsverhältnissen mit weitgehender Begrünung sowie zunehmender Mechanisierung sowohl einem hohen Wasser- und Nährstoffaneignungsvermögen als auch guter Verdichtungsverträglichkeit eine hohe Bedeutung zu. Die Folgen des Klimawandels im Hinblick auf ausgeprägte Feuchte-, aber auch Trockenphasen sowie der verfrühte Reifebeginn stellen ihrerseits veränderte Anforderungen an die Unterlagen. Sie sollten einerseits nicht zu stark wachsen, andererseits jedoch eine hohe Trockentoleranz haben, aber nicht zu spät im vegetativen Wachstum abschließen und damit weniger fäulnisfördernd sein. Gerade die in Württemberg und Franken sehr häufig verwendete Unterlage 5 BB hat in Bezug auf die Wuchsstärke und damit Fäulnisförderung gewisse Schwächen. Hinzu kommt eine leichte Reifeverzögerung, die bei weniger günstiger Herbstwitterung sowie in geringeren Lagen, mit ihrem besonders geringen Energieangebot in den letzten Reifewochen, zu deutlich schlechteren Reifegraden führt. In überdurchschnittlichen Lagen, mit ihrem relativ guten Energieangebot in der letzten Reifephase, kann die verspätete Laubalterung jedoch zur verlängerter Assimilationsaktivität und somit höheren Reifegraden führen - siehe hierzu Übersichten 3 bis 5.

 

Die klimawandelbedingt günstigeren Assimilationsbedingungen führten in den vergangenen Jahren im Zusammenhang mit ausreichender Wasserversorgung vielerorts zu besonders kräftigem Wachstum. Sowohl dies, als auch die höhere Pflanzdichte - bis zu 5000 Stöcke/ha und damit geringerer Stockbelastung - spricht für die Verwendung weniger wuchskräftiger Unterlagen. Die im Weiteren angeführten Ergebnisse aus unseren Versuchen deuten zumindest für Riesling an, dass auf tiefgründigen, triebigen Standorten die Verwendung der Unterlage 5 BB wohl nicht erforderlich ist. In Verbindung mit Dauerbegrünung, wie heute verbreitet anzutreffen, und somit flacher streichenden Wurzeln dürften die Unterlagen SO4 sowie Binova durchaus auch auf schwereren Böden geeignet sein, ohne jedoch die Nachteile zu starken Wuchses und einer gewissen Reifeverzögerung zu haben.

 

Übersicht 3: Eigenschaften wichtiger Unterlagen

5 BB besonders trockenfest und sehr verdichtungsverträglich, für beste Lagen, schließt spät ab und nutzt dortiges hohes Energieangebot in späterer Reifephase, eher reifeverzögernd

SO4 und Binova mittelstark wachsend, keine Reifeverzögerung

125 AA trockenfest, Burgunderarten, etwas verdichtungs-und feuchteempfindlich

Börner sehr reblausfest, trockenfest, nässeempfindlich, bei Begrünung keine Chloroseprobleme, mittelstarker Wuchs, für Trollinger weniger geeignet



 

 

Übersicht 4: Aspekte bei der Unterlagenwahl

 


 

Übersicht 5: Folgerungen für die Unterlagenwahl

Gute Anpassung (Adaption) an die Bodeneigenschaften (Kalkgehalt, Lagerungsdichte) hat höchste Priorität

Schwere Böden sowie die zunehmende Mechanisierung erfordern eine hohe Verdichtungsverträglichkeit

Die Wuchskraft muss auch bei Begrünung für eine genügend große Assimilationsfläche ausreichen

Ein ausreichendes Wasseraneignungsvermögen beziehungsweise hohe Trockenfestigkeit ist auch im Hinblick auf den Klimawandel unabdingbar.

Die Wasseransprüche der Edelreissorten sind gezielt  zu beachten

Rotweinsorten - insbesondere Burgunderarten -haben geringere Ansprüche, Weißweinsorten und Trollinger höhere

 

Eine Ertragssteuerung ist über die Unterlage nur sehr bedingt möglich. Klonenwahl, Anschnitt und Ertrags-regulierungsmaßnahmen sind hierzu wesentlich besser geeignet.



 


 

 

Ergebnisse aus Versuchen

Wie aus Übersicht 6 hervorgeht, liegen die Leistungen der gebräuchlichen Unterlagen im langjährigen Vergleich in allen Leistungsdaten relativ nahe beieinander. Ausnahme ist die deutlich höhere Holzleistung bei 5 BB. Diese hohe Wüchsigkeit führte in vielen Jahren zu einem früheren und stärkeren Botrytisbefall, was tendenziell zur Beeinträchtigung von Ertrag und Mostgewicht führte. Interessant ist die gute Leistung der besonders reblausfesten Unterlagen Börner auf dem schweren Keuperverwitterungsstandort am Ranzenberg. Hier trat lediglich in den ersten Jahren nach der Pflanzung leicht Chlorose auf. Nach Umstellung auf Dauerbegrünung war hier keinerlei Chlorose mehr zu beobachten. Aufgrund der langjährigen Ergebnisse/Erfahrungen kann die Unterlage Börner auch wegen ihrer guten Trockenfestigkeit mit Ausnahme von Trollinger, der öfter und längerfristig chlorotisch werden kann, durchaus als gut geeignet eingestuft werden. Wo besondere Probleme mit der Reblaus zu erwarten sind, ist die Unterlagensorte Börner den gebräuchlichen Unterlagen auf jeden Fall vorzuziehen.

In seit einigen Jahren auch an der LVWO laufenden Versuchen zur Unterlagen-eignungsprüfung haben sich bei den neuen Unterlagen Richter 110, Cosmo 2 und Georgikon bisher gegenüber der Vergleichsorte SO4 keine besseren Leistungen ergeben. In ebenfalls jüngeren Versuchen mit der altbekannten, weniger wüchsigen Unterlage Couderc 3309 konnten wegen teils starkem Chloroseauftreten, auch unter den heutigen Bewirtschaftungsbedingungen, keine befriedigenden Ergebnisse erzielt werden. Besonders auf schwereren, verdichtungsgefährdeten Standorten sind diese Probleme hinlänglich bekannt. In überregionalen Vergleichen anderer Versuchs-ansteller mit neueren Unterlagen haben sich bisher ebenfalls keine eindeutigen Vorteile gegenüber den älteren Unterlagen einschließlich der 125 AA ergeben. Den dort unter anderem geprüften Unterlagen Ruggeri 140 und Paulsen 1103 wird ein besseres Wasseraneignungsvermögen und damit stärkerer Wuchs sowie verzögerte Traubenreife zugeschrieben. Der stärkere Wuchs würde jedoch der erwünschten Lockerbeerigkeit zuwiderlaufen. Vor diesem Hintergrund können derzeit deshalb außer der Unterlagensorte Börner keine Empfehlungen in Richtung neuerer Unterlagensorten gegeben werden.

 

Übersicht 6: Ergebnisse aus Unterlagenvergleichen

Riesling Gundelsheim Mittelwerte aus 1997 bis 2007

 

kg/a

°Oe

g/l Säure

Holz kg/a

 

 

 

 

 

5 BB

166,8

77,9

10,5

33,5

26G

172,1

78,2

10,4

29,4

SO4

164,6

78,9

10,6

27,0

Binova

167,7

78,7

10,5

27,5

Riesling Ranzenberg Mittelwerte aus 1995 bis 1999

SO4

115,2

78,7

12,4

24,5

26G

117,0

78,8

12,4

23,8

Börner

118,4

78,6

12,4

25,3

 

Fazit

Sowohl bei der Unterlagen- als auch insbesondere der Sorten- und Klonenwahl sind noch Reserven zur Verbesserung der Sortentypizität unserer Weine vorhanden. Diese gilt es gezielt zu nutzen. Ein Sortenwechsel bietet sich dort an, wo die natürlichen Standortgegebenheiten für die neue Sorte ideal geeignet sind bzw. besonders sortentypische Weine erwarten lassen. Empfehlungen für neuere Unterlagen können zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gegeben werden. Hier müssen Ergebnisse regionaler Versuche, einschließlich Weinausbau, abgewartet werden.

Um tatsächlich die gewünschte Pfropfkombination vom Veredlungsbetrieb zu bekommen, ist eine rechtzeitige Bestellung nötig.

 

In Anlehnung an ein Referat anlässlich eines Treffens von Genossenschafts-vorständen am 12.6.2008 in der LVWO Weinsberg.

 

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