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Pflanzmaterial bei Strauchbeeren – vorhandene Reserven nutzen

Gunhild Muster, LVWO Weinsberg
Markus Litterst, OGM Mittelbaden

In den letzten 20 Jahren wurde der Anbau von Strauchbeeren (Him- und Brombeere, Johannis- und Stachelbeere, Heidelbeere) stark ausgedehnt.
Zur Zeit werden in Deutschland rund 5000 Hektar angebaut, davon gut 20 Prozent in Baden-Württemberg.

Einerseits wurde die Anbaufläche ausgeweitet, andererseits erfolgte gleichzeitig eine Intensivierung der Kulturführung.
Beispiele dafür sind, bei Johannisbeeren und Stachelbeeren für den Frischmarkt, die Umstellung von der Buscherziehung zur 1- bis 3-Ast-Hecke oder bei Himbeeren der Trend zu großfrüchtigen Sorten (mindestens 4 g/Frucht). Als jüngste Entwicklung bei Sommerhimbeeren sind der einjährige Anbau sowie der Anbau von long-canes zu nennen.

Diese Veränderungen im Anbau haben unterschiedliche Auswirkungen. Zu nennen sind vor allem der gestiegene Pflanzmaterialbedarf sowie die Ansprüche bezüglich der Pflanzenvitalität, und damit auch die Notwendigkeit von Erhaltungszüchtung und Pflanzengesundheit.


Abb.1 Einfluss von Virusstatus und Vermehrungsmethode auf Ertrag und Rutenzahl bei Himbeeren.
Virusfreie Pflanzen waren über einen längeren Zeitraum produktiver als Pflanzen aus
Gewebekultur oder konventioneller Vermehrung (ohne geprüfte Virusfreiheit)


Da der Bedarf an Pflanzmaterial zugenommen hat, produzieren die Baumschulen größere Mengen. Durch die Etablierung der in-vitro Vermehrung ist es leicht möglich, große Zahlen an Pflanzen zu produzieren. Bei jedem Vermehrungsprozess (konventionell und in-vitro) können mutagene Veränderungen auftreten. Bei hohen Stückzahlen fällt jedoch eine nicht erkannte Veränderung viel stärker ins Gewicht als bei einem geringen Produktionsumfang. Um Veränderungen des Materials frühzeitig zu erkennen, sind Kontrollpflanzungen unerlässlich. In der Vergangenheit wurde dies jedoch meist vernachlässigt. Spätere Probleme in Strauchbeerenanlagen sind vermeidbar oder zumindest reduzierbar, wenn bei der Baumschule Kontrollpflanzungen vorhanden sind und eine Anbauplanung seitens der Obstproduzenten erfolgt.
 


Neuanlage reduziert und der Erntebeginn gefördert werden.

Da es sich bei Strauchbeeren um Dauerkulturen handelt, ist der Pflanzenbedarf je nach Jahr unterschiedlich und hängt außerdem von der Erlössituation in der Vermarktung ab. Bei Johannis- und Stachelbeeren ist wenig Bewegung im Sortiment vorhanden, auch bei Brom- und Himbeeren gibt es "feste" Hauptsorten. Jedem Betriebsleiter ist das Alter und der Gesundheitszustand seiner Anlagen bekannt, sodass die Planung einer Neuanlage gut möglich ist. Eine derartige gezielte Anbauplanung und entsprechende rechtzeitige Bestellung ist für die Produktion von hochwertigem Pflanzmaterial unerlässlich. Und nur durch hochwertiges Pflanzmaterial kann eine vitale und homogene Obstanlage ermöglicht werden.

Abbildung 2a: Wüchsige Stachelbeerjunganlage in Mittelbaden
 

Das Instrument der langfristigen Qualitätssicherung bei einer Sorte ist die Erhaltungszüchtung. Unter Erhaltungszüchtung versteht man die kontinuierliche Selektionsarbeit, um die typischen Sorteneigenschaften zu erhalten. Solange für eine Sorte Sortenschutz besteht, ist der Züchter für die Erhaltungszüchtung zuständig. In unserem Strauchbeerensortiment gibt es jedoch viele Hauptsorten, für die kein Sortenschutz mehr besteht. Damit ist auch die entsprechende Verantwortung des Züchters nicht mehr gegeben. In diesen Fällen ist es notwendig, dass Baumschulen, beispielsweise in Zusammenhang mit Kontrollpflanzungen auch eine Selektion durchführen.
 

   

Abbildung 3a: Die typische Form von Tulameenfrüchten ist konisch
mit gleichmäßiger Größe und Anordnung der Einzelbeeren.

 

Abbildung 3 b:Veränderungen der Fruchtqualität bei Himbeeren

 

Neben der Sortenechtheit ist die Pflanzengesundheit eine wichtige Basis für die Langlebigkeit und Leistungsfähigkeit einer Anlage.
Die wirtschaftlich bedeutenden Krankheiten sind je nach Kultur unterschiedlich. Ruten- und Blattkrankheiten sind mehr- oder weniger gut bekämpfbar. Gegen Wurzelkrankheiten gibt es jedoch keine direkten Maßnahmen und das Auftreten von Virosen und Phytoplasmen kann nur verhindert werden, indem die Vektoren bekannt und bekämpfbar sind. Wichtig ist auch, dass die Mutterpflanzen frei von Viren und Phytoplasmen sind, da diese sonst "mitvermehrt" werden und eine Ausbreitung gefördert wird.
 
Die EPPO Richtlinien (European plant protection organization) enthalten lange Listen mit Schaderregern, Pilzkrankheiten und Viren, die nicht im Pflanzmaterial sein dürfen. Die Tabelle 1 zeigt eine Auswahl dieser wichtigen Pathogene.
 

Tabelle1: Wichtige Krankheiten, Schaderreger und Virosen bei Strauchbeeren

Himbeere

Wurzelkrankheiten, Virosen (HMK, RBDV), Phytoplasmen (Rubus Stauche), Himbeerblattmilbe

Brombeere

Falscher Mehltau (Peronospora sp.), Phytoplasmen (Rubus Stauche)

Johannisbeere

Mehltau, Gallmilben, Maulbeerschildlaus, Virosen (Brennesselblättrigkeit)

Stachelbeere

Mehltau, Maulbeerschildlaus



Für Baumobst gab es früher die sogenannte Obstvirus-Verordnung, die zwischenzeitlich durch EU Richtlinien und nationale Durchführungsbestimmungen ersetzt wurde. Dadurch wurde die Grundlage geschaffen, nicht nur virusfreies und gesundes Pflanzmaterial anzubieten, sondern dieses auch als zertifiziertes Pflanzmaterial zu bewerben. Für das Strauchbeerenobst wird ein derartiges Regelwerk zur Zeit erarbeitet. Es ist jedoch bereits jetzt möglich, virusfreies Pflanzmaterial anzubieten – allerdings ohne die Möglichkeit der offiziellen Zertifizierung.
In Baden-Württemberg bemüht sich der Arbeitskreis Strauchbeeren um die Etablierung eines Kernquartieres (virusfrei, unter insektensicherem Sarangewebe) und eines Basisquartiers mit Kontrollquartier. Geplant ist, zunächst bei jeder Kultur die wichtigsten Sorten zu "bearbeiten". Die Anregungen bzgl. der Pflanzmaterialqualität aus der Mitte des AK Strauchbeeren sind in Tabelle 2 zusammengefasst.

Tabelle 2: Anforderungen an gesundes Pflanzmaterial

Größe

Rute / Trieb

Wurzel

Sonstiges

Himbeere

wurzelnackt

40 cm

dünn

2 bis 3 Adventivknospen

Topfgrünpflanze

5 bis 10 cm

optimal durchwurzelt

gut abgehärtet

Long canes

170 bis 200 cm

optimal durchwurzelt

kurze Internodien, keine Knospenschäden

Brombeere

Topfpflanze

5 bis 10 cm

optimal durchwurzelt

Ribes

Stachelbeere

50 cm

mind. 3 Triebe

Hoher Feinwurzelanteil

1 jährig verschult,

2-jährig = größer

Rote

Johannisbeere

70 bis 100 cm

mind. 3 Triebe

Schwarze Johannisbeere

70 bis 100 cm

bis zu 5 Triebe

oder Steckholz




Von grundsätzlicher Bedeutung sind regelmäßige intensive Kontrollbegehungen durch geschultes Personal, um eventuell auffallende Pflanzen sofort zu elminieren. Allein dadurch kann der Gesundheitsstatus auch in Bezug auf andere Pathogene weiter verbessert werden.

Abb 4 Johannisbeertrieb mit Befall durch die Maulbeerschildlaus

Die Intensivierung der Kulturführung stellt hohe Anforderungen an die Pflanzmaterialqualität.
Der Obstproduzent wünscht sich Pflanzmaterial, das einheitlich in Vitalität, Habitus, Größe und Leistungsfähigkeit ist. Vitalität und Pflanzengröße sollten einen raschen Start in eine einheitliche Ertragsanlage ermöglichen.
 
Voraussetzung ist jedoch, dass die Obstproduzenten eine Betriebs- und Anbauplanung durchführen und ihr Pflanzmaterial rechtzeitig bestellen. Nur dies garantiert
 
- eine Lieferung von einheitlichem Pflanzmaterial der gewünschten Sorte
- eine von Beginn an erfolgreiche Neuanlage
- eine Stabilisierung der Angebotsmengen und damit
- eine Verhinderung von Preiseinbrüchen
 
Um die Pflanzengesundheit, die Ertragsleistung, und die Fruchtqualität zu erhöhen, den Arbeitsaufwand zu senken und letztlich die Standzeit der Anlagen zu verlängern, muss die Qualität des Pflanzmaterials mehr Beachtung finden.
Der AK Strauchbeeren in Baden-Württemberg setzt sich mit Nachdruck hierfür ein. Er hat Vorschläge für die Beschaffenheit des Pflanzmaterials erarbeitet und mit der Etablierung eines Kern- und Basisquartieres für Strauchbeeren begonnen.
 
Weitere Anregungen nehmen der Vorsitzende des AK Strauchbeeren BW (Alfred Kasper, Fax 07843/ 849872) sowie weitere Vertreter des AK Strauchbeeren BW(siehe Verfasser) gerne entgegen.

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