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GEOLOGIE UND WEINBERGSBÖDEN WÜRTTEMBERGS

An Neckar und Kocher - Muschelkalk

von Dr. Dietmar Rupp, LVWO Weinsberg

Steter Tropfen höhlt den Stein

"An den schönen Ufern des Neckars von Lauffen bis Cannstatt bestehen die Rebberge aus einem nährstoffreichen, weißgrauen Muschelkalk. Dieselbe Bodenart, aber mit nur geringem Nährstoffgehalt setzt die Weinberge im idyllischen Taubertal zusammen. Beiden gemeinsam ist ihr charakteristisches Profil: weit ausholende, zusammenhängende, muldenartige, halbkreisförmige, gegen Süden offene, zum größten Teil steil abgedachte Höhenzüge..."

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So kennzeichnete der Direktor der Weinbauschule Weinsberg, Prof. Richard Meißner, im Jahr 1915 die Rebflächen im Muschelkalk. Die von ihm beschriebenen "Höhenzüge" sind aber im eigentlichen Sinn keine "Berge" sondern lediglich die Abbruchhänge der Flußtäler. Sehr schön zeigt sich dies am Beispiel des Kochertals, das sich tief in die wellige Hohenloher Ebene eingekerbt hat. Im Verlauf von Jahrmillionen haben Neckar, Kocher, Jagst, Murr und Enz die geschwungenen Muschelkalkhänge Württembergs ausgehobelt. Im Innern des Gesteins wurden sie unterstützt durch Lösungs- und Auslaugungsprozesse des Sickerwassers im Mittleren Muschelkalk. Daher bildet der Untere Muschelkalk beispielsweise im Kochertal vom Talgrund aufsteigend steile Hänge und endet in einer schulterartigen Verflachung im mittleren Hangbereich. Bei einem Spaziergang oberhalb von Criesbach können geologisch Interessierte diese Verebnung sehr gut erkennen.

Während diese Gips- und Salzauslaugung zum Leidwesen der Wengerter für die steilen Reblagen und deren beschwerliche Bearbeitung mitverantwortlich ist, hat sie auf der anderen Seite im nahen Niedernhall die Gewinnung salzhaltiger Sole (1237 - 1827 n. Chr.) aus dem darunterliegenden Buntsandstein ermöglicht.

Im Neckartal bei Mundelsheim und Hessigheim oder flußaufwärts bei Ludwigsburg-Poppenweiler, sind diese Auslaugungsvorgänge so weit fortgeschritten, daß der Obere Muschelkalk teilweise klüftig eingebrochen ist. Ein bekanntes Beispiel für diese Kluftbildung und die Ablösung ganzer Felspartien sind die Felsengärten bei Hessigheim.

Dolomit - der etwas andere Kalkstein

Als französische Naturforscher im 18. Jahrhundert in den Alpen, weit über dem Meeresspiegel, versteinerte Muscheln und Abdrücke anderer Meerestiere antrafen und die geologischen Ursachen noch nicht bekannt waren, gerieten sie verständlicherweise in Erklärungsnot. Einer von ihnen, D. Gratet de Dolomieu (1750 - 1801), der die kalkigen Gebirgstöcke untersuchte, gab dem Mineral "Dolomit", und damit auch einer ganzen Gebirgsregion, den Dolomiten, seinen Namen. Im Unterschied zum kohlensauren Kalk, dem Calciumcarbonat [CaCO3 ] kommt im Dolomitmineral auf einen Teil Calcium ein Teil Magnesium [CaMg(CaCO3)2 ]. Dolomitgestein ist damit härter, schwerer und widerstandsfähiger als "normaler" Kalkstein. Muschelkalk enthält viele harte Dolomitschichten, was ihn daher auch als Baumaterial interessant macht. Wenn die Dolomiten ihren Namen vom gleichnamigen Mineral herleiten, so standen beim Muschelkalk die vielen in ihm gefundenen Versteinerungen von Seelilien und Muscheltrümmern Pate. Bekannt ist der Muschelkalk durch zahlreiche Ceratitenfossilien. Ceratiten gehören zur ausgestorbenen Tiergruppe der Ammoniten und sind verwandt mit den heute noch vorkommenden Tintenfischen. Ähnlich wie Schnecken konnten sie sich bei Gefahr in ein schützendes Kalkgehäuse zurückziehen.

Ein bekanntes Reisemitbringsel aus tropischen Gegenden ist die Spiralschale des Perlboots (Nautilus pompilius). Das Perlboot ist ein "lebendes Fossil", ein Nachfahre der Ceratiten der Muschelkalkzeit. Die perlmutthaltige schützende Kalkhülle des Tiers hat einen Durchmesser von etwa 20 cm.

Flachgründig und steil

Eine vor 80 Jahren in der Nähe von Erlenbach im Sulmtal niedergebrachte Bohrung erbrachte für den Muschelkalk eine Gesamtdicke von 238 m. Entlang des Neckars ist allerdings vorwiegend der Obere Muschelkalk, der sogenannte Hauptmuschelkalk anzutreffen. Die unteren Schichten sind unter Schutt oder Anschwemmungen des Flusses verborgen.

Bis aus Kalkgestein jedoch feinerdereicher Boden wird, muß durch kohlensäurehaltiges Wasser der Kalk ausgelöst und der verbleibende Rückstand angereichert werden. Wo das Sickerwasser entlang stauender Schichten wie am Mundelsheimer Käsberg wieder zum Vorschein kommt, wird der abtransportierte Kalk wieder ausgefällt. Entlang von Wasserrinnen bilden sich schwammartige Kalktuffe.

Für die Bildung von 20 cm kalkfreiem Oberboden sind etwa 2 m Kalkgestein verwittert! Muschelkalkböden sind daher lehmig-tonig mit sehr hohem Steinanteil. In der Bodenkunde werden solche flachgründigen Kalkböden als "Rendzina" bezeichnet. Meist sind die Oberböden schwach alkalisch bis schwach sauer, in vielen Bodenuntersuchungen zeigten sich pH-Werte um 6,9. In Verbindung mit meist hohen Humusgehalten und guten Calciumvorräten sind die Oberböden der Muschelkalkstandorte gut strukturiert. Probleme bereitet eher die mangelhafte Wasserspeicherung der Böden aufgrund der geringen Gründigkeit und des hohen Steinanteils vor allem im Unterboden.

Viel Wärme - wenig Wasser

Für Standorte an der Enz oder im Bereich Mundelsheim - Hessigheim muß daher von einer nutzbaren Feldkapazität (also einer tatsächlich pflanzenverfügbaren Wasserspeicherung) von nur 60 l/m2 ausgegangen werden. Durch die Anlage von Terrassen oder das Absammeln der Steine haben unsere Vorfahren die Leistungsfähigkeit dieser Standorte deutlich verbessert. So zeugen die Steinriegel an Jagst und Kocher noch heute von dem jahrhundertelangen Fleiß der Weingärtner.

Da Magnesium wie das Calcium der Auswaschung unterliegt, können Muschelkalkböden, obwohl sie aus magnesiumhaltigem Mineral hervorgegangen sind, an Magnesium verarmen. Verschärft kann dies dadurch werden, daß der Weingärtner den naturgemäß knappen Kaliumvorrat durch Düngemaßnahmen stark anhebt. Langjährige Versorgung der Muschelkalkterrassen mit Stallmist und Stroh haben so vielerorts zu sehr hohen Kali- und Phosphatgehalten und Magnesiumdefiziten geführt.

Kennzeichen der Muschelkalkböden ist ihre gute Erwärmbarkeit und die hohe Wärmegunst der Muschelkalkhänge. Tiere und Pflanzen mit hohen Temperaturansprüchen fühlen sich wohl. Und was für Eidechsen gut ist, kann dem Trollinger recht sein.

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