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Forschungsreport

Nachhaltige Kompostverwertung in der Landwirtschaft
Ergebnisse eines DBU-Verbundforschungsprojektes in Baden-Württemberg

Dr. R. Kluge/ Prof. Dr. F. Timmermann

LUFA Augustenberg

Projektzeitraum 2000 - 2002

Kurzfassung:

Problemstellung

Die landwirtschaftliche Verwertung von pflanzenbaulich geeigneten Komposten, die zur Wiederverwertung von wertvollen Ressourcen (organische Substanz, Kalk, Nährstoffe) volkswirtschaftlich wünschenswert ist, bleibt noch hinter den objektiven Möglichkeiten zurück. Als Gründe dafür kommen unzureichende Kenntnisse über die längerfristige Wirkung von Komposten auf die Bodenfruchtbarkeit und die Qualität der Ernteprodukte sowie Vorbehalte auf Grund möglicher ökologischer Risiken infrage. Zudem ist zuwenig über den ökonomischen Nutzen der Kompostanwendung sowie geeignete Formen der Vermarktung bekannt.

Ziel

Diese Situation war Anlass für ein von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförder-tes Verbund-Forschungsprojekt, das im Zeitraum 2000 - 2002 gemeinsam von der Gütegemeinschaft Kompost Region Süd e.V. (Leonberg), der LUFA Augustenberg (Karlsruhe), dem Institut für Agrarpolitik der Universität Hohenheim (Stuttgart) und der Fachhochschule Nürtingen bearbeitet wurde. Ziel des Forschungsvorhabens war es, in einem ganzheitlichen Ansatz

noch offene Fragen der nachhaltigen Verwertung gütegesicherter Komposte zu klären und praxisbezogene Anwendungsrichtlinien für die konkreten Bedingungen der Landwirtschaft zu erarbeiten bzw. zu präzisieren (LUFA Augustenberg),

den betriebswirtschaftlichen Nutzen der Kompostanwendung und ihre ökologische Bewertung umfassend herauszuarbeiten (Institut für Agrarpolitik) sowie

Marketingsstrategien zu entwickeln, mit denen die Rahmenbedingungen und die Akzeptanz des Komposteinsatzes in der Landwirtschaft verbessert werden können (Fachhochschule Nürtingen).

Der Abschlussbericht des Projektes wurde am 13.11.2003 auf einem DBU-Workshop an der Universität Hohenheim vorgestellt. Mit den Ergebnissen ist es nun möglich, das Für und Wider der landbaulichen Kompostverwertung objektiv und ohne Vorurteile einzuschätzen.

Untersuchungsmethoden

1. Versuchsbasis

Die Grundlage des Projektes bildeten sechs - noch laufende - Kompost-Dauerversuche in Baden-Württemberg, die auf Wirtschaftsflächen von Vollerwerbslandwirten vor 9 Jahren (vier Versuche) bzw. 6 Jahren (zwei Versuche), vorwiegend auf mittleren bis schweren Böden, auf denen vorrangig mit einer Kompostwirkung zu rechnen ist, angelegt worden sind. Die Versuche sind nach einem einheitlichen Versuchsplan und mit einer typischen Fruchtfolge mit mittleren bis hohen Nährstoffentzügen (Körner- bzw. Silomais/Winter-Weizen/Winter-Gerste) konzipiert. Diese Bedingungen gewährleisteten eine hohe Praxisnähe und -übertragbarkeit der Projektergebnisse, so dass sie auch für bundesweite Verhältnisse repräsentativ sind.
Zum Einsatz gelangten grundsätzlich nur gütegesicherte, d.h. qualitativ hochwertige Komposte mit eindeutigem Wertstoffcharakter, in der Regel Bioabfallkomposte. In die Staffelung der jährlichen Kompostgaben wurde bewusst eine überhöhte Gabe von 20 t/ha TM einbezogen, um in der aktuellen Risikodiskussion aussagefähige Ergebnisse zu gewinnen. Regulär sind Gaben von jährlich 6 - 7 bis maximal 10 t/ha TM bzw. für drei Jahre kumulierte Gaben von 20 bis maximal 30 t/ha TM. Die gestaffelten Gaben der N-Ergänzungsdüngung dienten dazu, mittelfristig genauere Kennzahlen für die Anrechenbarkeit der N-Zufuhr aus Komposten in der N-Düngebilanz zu erhalten.

2. Untersuchungen

Im Rahmen der ganzheitlichen Projektbearbeitung wurden die Parameter, die für die abwägende Beurteilung der Vorteilswirkungen und der möglichen Risiken von Bedeutung sind, umfas-send untersucht. Dazu gehörten neben den Ernteerträgen die relevanten Gehalte an Nähr-, Wert- und Schadstoffen in Komposten, Böden und Pflanzen sowie die entsprechenden Bilanzierungen. Auf diese Weise konnte gewährleistet werden, dass im Sinne der Nachhaltigkeit der Kompostanwendung vor allem die ökologisch wichtigen Belange des Boden- und Gewässerschutzes gebührend berücksichtigt wurden.
Neben diesem umfassenden Monitoring der Kompost-Dauerversuche wurde eine bundesweit repräsentative Stichprobe von 5.600 Kompostanalysen aus den Jahren 2000 und 2001 ausgewertet, um eine aktuelle und verlässliche Übersicht über die maßgebenden Inhaltsstoffe von Komposten zu gewinnen. Darauf aufbauend wurden Hochrechnungen zur Zufuhr von Wert- und Schadstoffen durchgeführt, die als Richtwerte bei der landwirtschaftlichen Kompostanwendung genutzt werden können.

Ergebnisse

1. Vorteilswirkungen

Die Versuche zeigen, dass pflanzenbaulich geeignete Kompostgaben von jährlich 6 - 7 t/ha TM die Humusversorgung sowie den pH-Wert der Böden stabilisieren und die Versorgung mit Phosphor, Kalium und Magnesium gewährleisten. Entsprechende Ressourcen an organischer Substanz, Kalk und Grunddüngern können komplett eingespart werden. Moderate Kompostgaben sind anzuraten, um eine weitgehend ausgeglichene Düngebilanz und damit die Anforderungen des Boden- und Gewässerschutzes mittelfristig zu gewährleisten.

Die N-Zufuhr mit den Kompostgaben wird anfangs nur in ganz geringem Maße, mit steigender Anwendungsdauer aber zunehmend besser düngewirksam. Kurzfristig, d.h. nach einer Kompostanwendung von ein bis drei Jahren, ist der anrechenbare Stickstoff-Anteil mit maximal 5 % noch vernachlässigbar gering. Mittelfristig sollte die N-Ergänzungsdüngung aus Vorsorge jedoch im Mittel um 10 %, bei Einbeziehung der leicht erhöhten löslichen Nitratanteile im Boden um etwa 15 % reduziert werden. Dabei sind in Abhängigkeit von der Kompostart Spannweiten von 0 (vorrangig Grünkomposte) bis 25 % (N-reiche Biokomposte) möglich.

Im Gegensatz zu Stickstoff werden die Zufuhren an Phosphor und Kalium schnell und vollständig düngewirksam. Da sie in der Düngebilanz voll anzurechnen sind, werden sie in der Regel zum begrenzenden Faktor der Kompostgabe.

Mittel- und langfristig haben die "bodenverbessernden" Wirkungen der regelmäßigen Kompostanwendung offenkundig eine noch größere Bedeutung als die Düngungseffekte. In den Versuchen wurden alle wesentlichen Parameter der "Bodenverbesserung", wie der Bodenstruktur, des Wasserhaushaltes und der Bodenmikrobiologie, spürbar positiv beeinflusst. Diese Wirkungen tragen erheblich zu einer allmählichen Förderung der Bodenfruchtbarkeit bei und verbessern vor allem die für die pflanzenbauliche Nutzung wesentlichen Bodeneigenschaften, wie Befahrbarkeit, Erosionsverhalten, Wasserspeicherung und biologische Aktivität.

Die Summe aller Vorteilswirkungen der landbaulichen Kompostanwendung widerspiegelt sich am besten im Ernteertrag. Im Mittel ist nach den mehrjährigen Versuchsergebnissen unter Bedingungen intensiver Pflanzenproduktion, wie sie verstärkt in Regionen mit hoher Ackerbauproduktivität (z.B. Südwesten Baden-Württembergs, Köln-Aachener Bucht) typisch ist, mit Mehrerträgen von 5 - 8 % zu rechnen. Bei geringerer Produktionsintensität sind solche deutlichen Ertragswirkungen des Komposteinsatzes weniger ausgeprägt.

Von der regelmäßigen Kompostanwendung profitieren, wie die ökonomischen Untersuchungen gezeigt haben, vor allem Marktfruchtbetriebe auf mittleren und schweren Böden. Die De-ckungsbeiträge können sich in diesen Betrieben mittelfristig jährlich um im Mittel 60 - 80 €/ha und in günstigen Fällen um bis zu 120 €/ha erhöhen. Dabei ist die regelmäßige Kompostanwendung eindeutig vorteilhafter als eine einmalige Kompostgabe. In Gemischtbetrieben ist da-gegen kaum mit derartigen betriebswirtschaftlich positiven Wirkungen zu rechnen.

2. Mögliche Risiken

Die Versuche zeigten, dass die möglichen Risiken der Kompostanwendung tolerierbar und kalkulierbar sind, wenn die "Regeln guter fachlicher Praxis" eingehalten werden. Die Gehalte an unerwünschten Schwermetallen von Komposten (Pb, Cd, Cr, Hg, Ni) unterschreiten die Grenzwerte der Bioabfall-Verordnung - wie die bundesweite repräsentative Stichprobe gütegesicher-ter Komposte belegt - mittlerweile deutlich: Die Ausschöpfungsraten bewegen sich im Mittel um 20 - 30 %, im ungünstigen Fall (90. Perzentil) um 35 - 50 %. Bei Cu und Zn fallen die Ausschöpfungsraten höher aus: im Mittel 45 - 55 %, im ungünstigen Fall bis zu 80 %. Trotzdem verbleibt stets ein Teil der absolut niedrigen Zufuhr an Schwermetallen im Boden, weil die Pflanzenentzüge noch geringer ausfallen. Die befürchtete Anreicherung der Böden mit Schwermetallen verläuft allerdings ausgesprochen langsam. Erst nach 10 - 20 Jahren (bei Ni und Hg 30 - 40 Jah-ren) ist die minimale Anhebung analytisch überhaupt feststellbar. In den Versuchen sind bisher - im Einklang mit dieser Hochrechnung - weder die Bodengehalte noch die Pflanzengehalte messbar angestiegen. Das Risiko einer unerwünschten Akkumulation von Schwermetallen in Boden und Pflanze ist deshalb außerordentlich gering und als tolerierbar und beherrschbar einzuschätzen. Gefahren für irreversible, schädigende Bodenkontaminationen bestehen mittelfristig nicht.

Die Zufuhr von Cu und Zn mit den Kompostgaben ist nicht durchweg von Nachteil. Beide Schwermetalle sind essenzielle Spurennährstoffe, die für das Pflanzenwachstum unabdingbar benötigt werden. Das Risiko einer allmählichen Anreicherung im Boden wird dadurch relativiert. Die - absolut geringen - Frachten sind auf Böden mit niedrigen Gehalten dieser Spurennährstoffe sogar erwünscht, denn sie tragen zur Versorgung der Pflanzen bei. Reguläre, gesetzlich zugelassene Düngergaben an Cu und Zn fallen um den Faktor 5 - 10 höher aus! Die Cu- und Zn-Frachten mit Kompostgaben sind deshalb tolerierbar, solange geogene Hintergrundwerte sowie die Bodengrenzwerte lt. Bioabfall-Verordnung deutlich unterschritten werden.

Die Schwermetallsituation wird zusätzlich dadurch entspannt, dass in den Versuchen, auch nach überhöhten Kompostgaben, keine erhöhte Schwermetallmobilität im Boden festzustellen war. Die Mobilität von Pb, Cr und Cu blieb im wesentlichen unbeeinflusst, die mobilen Gehalte an Cd, Ni und Zn gingen sogar bei Komposteinsatz zurück. Eine erhöhte Pflanzenverfügbarkeit der Schwermetallzufuhr aus Kompostgaben ist nicht wahrscheinlich.

Die persistenten organischen Schadstoffe Polychlorierte Biphenyle (PCB) sowie Polychlorierte Dioxine/Furane (PCDD/F) stellen, wie die Projektuntersuchungen zeigten, für die Kompostanwendung nachweislich kein Problem dar. Die Gehalte an PCB sowie PCDD/F bewegten sich nach Stichprobenuntersuchungen durchweg im sehr niedrigen Gehaltsbereich nahe der Hintergrundbelastung. Auch in den Böden der Versuchsstandorte war keine Veränderung der minimalen Gehalte festzustellen.

Die N-Mineralisation der mit Kompostgaben in den Boden eingebrachten organischen Substanz verläuft, wie regelmäßige Untersuchungen an den Kompost-Dauerversuchen belegten, relativ langsam und damit kontrollierbar. Die Nmin-Gehalte stiegen im Vergleich zur Kontrolle ohne Kompost im Mittel nur um 5 - 10 kg/ha an. Entgegen häufiger Befürchtungen ist damit keine rasche, ökologisch bedenkliche Erhöhung des löslichen Stickstoff-Pools im Boden zu erwarten. Auch die mögliche Nitrat-Auswaschung in das Grundwasser ist durch geeignete Maßnahmen (Berücksichtigung der Nmin-Gehalte in der N-Düngebilanz, Zwischenfruchtanbau, verminderte Kompostgaben) beherrschbar.

Die Grenzwerte der Bioabfall-Verordnung für Fremdstoffe >2 mm und Steine >5 mm werden von gütegesicherten Komposten deutlich unterschritten. Qualitativ hochwertige Komposte ent-halten heute nur noch geringe Fremdstoffanteile von weniger als 0,05 % TM, d.h. sie sind praktisch frei davon. Trotzdem ist es für die Akzeptanz der Kompostanwendung durch die Landwirte unabdingbar, dass Komposte so weit als möglich frei von Fremdstoffen sind, vor allem frei von Plastikfolien, die das optische Erscheinungsbild nach der Kompostausbringung massiv beeinträchtigen können, obwohl keine Gefährdung für Böden und Ernteprodukte besteht. Der Steinanteil erreicht derzeit im Mittel 1,0 - 1,5 % TM und bildet damit für die Verwertung kein Problem.

Die bundesweite Stichprobe gütegesicherter Komposte zeigte, dass die Seuchen- und Phytohygiene der eingesetzten Komposte stets gewährleistet ist, wenn eine ordnungsgemäße Heißrotte (mindestens 65 oC über einen Zeitraum von 7 Tagen) erfolgt ist. Gleiches trifft für die keimfähigen Samen und austriebsfähigen Pflanzenteile zu. Gütegesicherte Komposte sind praktisch frei davon (Anteile unter 0,5 Samen/l Kompost). Auch der Unkrautbesatz der Ackerflächen, das belegen 42 (!) Boniturjahre der Kompost-Dauerversuche, wird durch den Komposteinsatz nachweislich nicht erhöht. Damit konnte die häufig vorgebrachte Befürchtung, dass nach Komposteinsatz mit einer verstärkten Verunkrautung der Ackerflächen gerechnet werden muss, fachlich widerlegt und als nicht zutreffend erkannt werden.

Über diese Risikobewertungen hinaus hat die Universität Hohenheim mit Hilfe einer Modellsimulation eine noch umfassendere Risikobeurteilung vorgenommen, in die die ökologischen Auswirkungen weiterer Faktoren, wie die Erosionsanfälligkeit der Böden, die Emission klimarelevanter Gase und die Gewässerbelastung, einbezogen wurden. Danach überwiegen beim Komposteinsatz in Marktfruchtbetrieben die Vorteilswirkungen die möglichen Risiken bei weitem. In viehhaltenden Betrieben fallen dagegen die positiven Kompostwirkungen geringer aus und es ist bei höheren Kompostgaben vermehrt mit negativen ökologischen Auswirkungen zu rechnen.

Konsequenzen für die Praxis

Die Kompostanwendung im landwirtschaftlichen Pflanzenbau hat für Böden und Pflanzen eine Reihe von nachweisbaren Vorteilen, wenn sie strikt nach den "Regeln guter fachlicher Praxis" erfolgt. Dazu gehört, dass der Komposteinsatz nur erfolgt, wenn ein messbarer Bedarf an Düngung und/oder Bodenverbesserung besteht und der Boden dafür geeignet ist, d.h. seine Schwermetallgehalte geogene Hintergrundwerte bzw. die Grenzwerte der Bioabfall-Verordnung deutlich unterschreiten. Der einzusetzende Kompost sollte optimale Wertstoffanteile sowie mög-lichst geringe Schwermetallgehalte aufweisen und die übrigen Erfordernisse, wie die Freiheit von Fremdstoffen und Unkrautsamen sowie eine ordnungsgemäße Hygienisierung, erfüllen. Für die Anwendung gilt, moderate Gaben von jährlich 6 - 7 bis maximal 10 t/ha TM nicht zu überschreiten, um eine ausgeglichene Nährstoffbilanz zu gewährleisten.
Unter diesen Bedingungen sind die Kriterien einer nachhaltigen Verwertung gewährleistet, d.h. es lassen sich die Anforderungen des Boden- und Umweltschutzes mit den Vorteils- und Nutz-wirkungen sinnvoll verbinden, so dass die möglichen Risiken tolerierbar und beherrschbar bleiben.

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