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Agrarforschung
Entwicklung von biogenen Aminen in Fermentationsprodukten am Beispiel von Hartkäse

Staatliche Milchwirtschaftliche Lehr- und Forschungsanstalt
- Dr.-Oskar-Farny-Institut -      Wangen im Allgäu
Dr. J. Hüfner                                                                          
1993 - 1996

Problemstellung

Biogene Amine sind niedermolekulare organische Basen, welche im normalen Stoffwechsel von Mensch, Tier, Pflanze und Mikroorganismen gebildet werden. Insbesondere bei Fermentationsprodukten, wie Wein, Fisch, Wurst und Käse (vor allem Hartkäse), die einen längeren Reifeprozeß durchlaufen, können Amine durch die Stoffwechselaktivität (Decarboxylierung von Aminosäuren) bestimmter Mikroorganismen gebildet werden.

Normalerweise stellen biogene Amine in Lebensmitteln keine Gefahr dar, weil der menschliche Organismus über Kontroll- und Abbaumechanismen im Verdauungstrakt verfügt. Treten jedoch ungewöhnlich hohe Aminkonzentrationen ( 1000 ppm Histamin) auf, oder sind die Kontrollmöglichkeiten durch genetische Defekte, Alkohol oder Medikamente gestört, kann es zu Vergiftungserscheinungen wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Durchfall oder Hautausschlag kommen. Weiterhin können sich verschiedene Amine, wie Cadaverin und Histamin, in ihrer Wirkung potenzieren. Im Zusammenhang mit histaminbedingten Fischvergiftungen wurde bei Fischerzeugnissen für Histamin ein Höchstwert von 200 ppm gesetzlich festgelegt.

Untersuchungen von Emmentalerkäse an der MLF Wangen in Zusammenarbeit mit dem Institut für Biochemie und Lebensmittelchemie der Universität Hamburg haben hohe Gehalte an biogenen Aminen ergeben. Würde für Emmentaler der gleiche Grenzwert wie für Fischerzeugnisse angesetzt, müßte unter Umständen ein erheblicher Teil der Produktion aus dem Markt genommen werden.

Ziel

Ziel des Projektes war es, Verständnis über die Bildungsprozesse von biogenen Aminen in Hartkäse zu erhalten und Maßnahmen zu ermitteln, die den Käsereien zur Senkung des Gehaltes von biogenen Aminen in Hartkäse empfohlen werden können. Zu Beginn des Forschungsvorhabens mußte zunächst der Gehalt an biogenen Aminen in Hartkäse (Emmentaler) durch Entnahme von Käseproben aus verschieden strukturierten Emmentalerkäsereien in der Winter- und Sommerperiode festgestellt werden. Anschließend war zu prüfen, welche speziellen Bakterienstämme für die Aminbildung verantwortlich sind. Produktions- und reifungsrelevante Faktoren, wie Art der Rohmilch, Erhitzung und der Einfluß der Folienreifung auf die Aminbildung waren zu untersuchen. Ein weiterer Schritt sah die Durchführung von Versuchskäsungen vor, bei denen Isolate von Keimen, die sich im Laborversuch als starke Aminbilder erwiesen hatten, der Käsereimilch zuzusetzen waren.

Untersuchungsmethode

Die notwendigen mikrobiologischen und sensorischen Untersuchungen sowie die Versuchskäsungen wurden an der Staatlichen Milchwirtschaftlichen Lehr- und Forschungsanstalt -Dr.-Oskar-Farny-Institut- Wangen im Allgäu durchgeführt, während die Untersuchungen von Keimisolaten auf die Fähigkeit der Aminbildung sowie die Bestimmung des Gehaltes an biogenen Aminen in den Käseproben Aufgaben des Institutes für Biochemie und Lebensmittelchemie der Universität Hamburg waren. Aus technischen Gründen wurde als Versuchskäse nicht Emmentaler, sondern Bergkäse hergestellt. Diese wurden - ähnlich wie Emmentaler - bei Temperaturen von 51 °C im Kessel nachgewärmt ("gebrannt"). Im Gegensatz zu Emmentaler (4-5 Wochen; 20-22 °C) werden Bergkäse bei niedrigerer Temperatur (8 Wochen; 14-15 °C) gereift. Da der Eiweißabbau somit bei Bergkäse etwas langsamer verläuft, wurden die Aminuntersuchungen erst nach einer Reifezeit von mind. 4 Monaten durchgeführt.

Folgende Einflußfaktoren wurden untersucht:

  • Rohmilch (konventionell/extensiv erzeugt)
  • Rohmilchqualität (roh/thermisiert)
  • Kesselmaterial (Kupfer/Stahl)
  • Brenntemperatur bei der Käseherstellung
  • Synergismus bzw. Antagonismus mit definierten Keim-Isolaten.
Ergebnis
  • In handelsreifen Käse wurden im Mittel Histamingehalte von 200 mg/kg nachgewiesen. Wenn die Käseproben älter (5-6 Monate) waren, lagen die Histamingehalte z. T. 1000 ppm/kg. Für die Entstehung von Histamin ist bei Hartkäsesorten mit einer längeren Reifezeit, wie Emmentaler und Bergkäse, in erster Linie die Spezies Lb. buchneri verantwortlich.
  • Die Tyramingehalte von handelsreifen Emmentaler lagen im Mittel in einer ähnlichen Größenordnung wie Histamin. Höhere Werte wie 600 ppm/kg wurden allerdings selten nachgewiesen. Tyramin wird nahezu ausschließlich durch Enterokokken, insbesondere der Spezie Ek. fäcalis, gebildet.
  • Foliengereifte Käse können zusätzlich, vor allem im Bereich der Randzone, sehr hohe Putrescin- und Cadaverinwerte (bis 1200 mg/kg) aufweisen.
Konsequenzen für die Praxis

Die geeignetste Maßnahme, den Histamin- und bedingt den Tyramingehalt zu senken, wäre die Erhitzung der Käsereimilch. Die Termisierungstemperaturen sollten dabei +65 °C nicht unterschreiten, um die Aufschaukelung bestimmter hitzesensibler Keime, wie Enterokokken, aber auch Coliforme in den Anlagen der Käsereibetriebe (Erhitzer, Anwärmer) zu verhindern.

Das Forschungsvorhaben sollte jedoch zum Ziel haben, in erster Linie technologische Wege für den Bereich der klassischen Emmentalerproduktion aufzuzeigen, die geeignet sind, eine Bildung von biogenen Aminen vorzubeugen.

Es empfehlen sich daher folgende Maßnahmen:

Der Eintrag aminbildender Keime erfolgt in erster Linie über die Rohmilch. Innerbetriebliche Kontaminationen sind insofern möglich, als bei Mehrchargenbetrieb eine Anreicherung unerwünschter eiweißspaltender Mikroorganismen an empfindlichen Bereichen wie Anwärmer und Käsepresse möglich ist, sofern aus Zeit- und Kapazitäsgründen keine Zwischenreinigung durchgeführt wird. Es empfehlen sich also laufende Hygienemaßnahmen im Sinne des Konzeptes einer guten Herstellungspraxis (GHP).

Bei der Käseherstellung wird Milchzucker hydrolytisch in Glucose und Galaktose gespalten. Den Abbau der Glucose bewerkstelligen im wesentlichen die zugesetzten Kokkenkulturen. Der Galaktoseabbau wird hauptsächlich von wärmetoleranten, erwünschten Laktobazillen vollzogen, die damit den unerwünschten Enterokokken und Coliformen Keimen, die ebenfalls Galaktoseverwerter sind, die Nährstoffgrundlage entziehen. Bei ungenügendem Laktobazillen-Wachstum können sich die genannten Keime daher vermehren und Amine bilden.

Wichtig ist daher die Verwendung aktiver Laktobazillenkulturen, die in der Lage sind, die Galaktose schnell zu verwerten. Sofern lyophilisierte Kulturen im Direkteinsatz ("Direktstarter") verwendet werden, ist es notwendig, je nach Jahreszeit im Käsefertiger eine Vorreifung von 45-60 Minuten vorzunehmen.

Bei Fabrikation im Kupferkessel entwickeln sich die thermophilen Laktobazillen deutlich besser als im Stahlkessel; weiterhin konnte eine antagonistische Wirkung gegen Proteolyten festgestellt werden. Geschmacksfehler, wie "unrein" und "unsauberer Flavour" treten im Kupferfertiger signifikant weniger auf. Der Amingehalt ist ebenfalls erniedrigt. Insofern empfiehlt sich für die Herstellung von Emmentaler nach wie vor die Verwendung eines Kupfer- oder kupferbeschichteten Kessels.

Da nur bei sehr wenigen Stämmen von Lb. casei im Laborversuch eine Fähigkeit zur Aminbildung nachgewiesen werden konnte und zudem festzustellen war, daß bestimmte Stämme in der Lage sind, Histamin abzubauen, könnte die Zugabe von Lb. casei zur Käsereimilch, eine Möglichkeit sein, die Enterokokkenvermehrung zu unterdrücken und die Tyraminbildung somit wirksam zu verhindern.

Literatur: Abschlußbericht 1996

Fördernde Institution:MLR

Förderkennzeichen:  33 - 93 . 3 


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